Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
hier meine Zeit.
Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Ich probiere es an der Tür des Wintergartens. Behutsam und langsam bewegeich den Griff. Es ist so einer, den man hochschieben und ein bisschen herausziehen muss. Ich höre, wie sich die Zapfen lösen. Die Tür ist offen.
Ich gleite hinein, sorgfältig darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. Die Tür lässt ein ganz leises Klicken hören, als ich sie hinter mir wieder schließe. Kein verräterisches Knarren. Qualität hat eben doch ihre Vorteile.
Die Tür zum Wohnzimmer lässt sich ohne jedes Geräusch öffnen. Keinerlei Anzeichen vom Gelage des gestrigen Abends. Auch hier ist alles aufgeräumt und sauber. Ich überprüfe den Vorraum. Nichts deutet darauf hin, dass ihre Familie zurückgekommen ist – das war nur eine Lüge, um mich loszuwerden. Aber mein Rucksack ist noch da, hängt an der Garderobe. Ich hatte ihn total vergessen. Mit etwas mehr Selbstvertrauen bewege ich mich auf die Treppe zu. Ich bin kein Einbrecher oder ein geistesgestörter Stalker. Ich habe einen Grund, warum ich hier bin.
Ich will gerade nach oben gehen und ihnen gegenübertreten, als ich Stimmen höre. Erst Caro, dann Rob. Also ist er wirklich hier. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Sie sprechen leise, als könnte sie jemand belauschen. In Anbetracht dessen, dass sonst niemand im Haus ist, kommt mir das seltsam vor. Ich steige die Treppe bis nach oben hoch. In ihrem Zimmer ist niemand. Die Stimmen kommen aus dem kleinen Zimmer am Ende des Flurs. Trevors Arbeitszimmer.
»Bist du bereit?«, höre ich ihn sagen.
»Ja, ich bin bereit.«
Ich gehe die Treppe wieder runter und warte – auf die super Überraschung.
Rob kommt als Erster runter. In der einen Hand hält er eine Reisetasche. Ein langes Gewehrfutteral in der anderen. Mich drängt es, davonzulaufen und mich zu verstecken. Aber ich halte Stand. Er bleibt stehen, echt geschockt. Sein Griff um das Gewehrfutteral wird fester.
»Was machst du denn hier?«
»Könnte ich dich auch fragen.«
»Es ist nicht das, was du denkst.«
»Oh, und was denke ich?« Ich kann den Blick nicht von dem Gewehrfutteral lösen. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
»Es ist am besten, wenn du verschwindest«, sagt er. »Hau sofort ab.«
»Ja«, sagt Caro von der Treppe. »Geh jetzt. Es ist besser, wenn du das machst.«
Sie kommt hinter ihm her die Treppe runter. Ich blicke zu ihr hoch. Sie trägt eine Kampfanzugjacke mit dem roten Stern als Abzeichen darauf. Baader-Meinhof. Die Rote Armee Fraktion. Ich habe recherchiert. Stadtguerillas. Protestaktion. In den Siebzigern in Deutschland aktiv. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen sie getötet haben. Aber da muss man nur bei Wikipedia nachsehen. Kein Mensch kann so verrückt sein, solche Nummern heute noch abzuziehen.
Ich blicke zwischen den beiden hin und her. Beide sind total aufgedreht. Was auch immer hier abläuft, es ist tödlicher Ernst. Ich hätte das alles längst wahrnehmen können. Stattdessen bin ich rumgelaufen wie in einem Traum, sah die Dinge, ohne eine Ahnung davon zu haben, was sie eigentlich bedeuteten oder wofür sie stehen könnten.
Mit fällt die Website der Schule ein.
Bevorstehende große Ereignisse
an der Egmont Akademie.
Die große Eröffnung. Der VIP, ein bedeutender Politiker würde unsere Schule damit ehren, dass er käme, um das Band durchzuschneiden.
Ich sollte losrennen, solange ich das noch kann, solange sie beide noch auf der Treppe sind. Raus hier, ruf die Polizei, alarmier die Behörden. Aber ich mache nichts davon. Rob hat sich Kanonen besorgt. Er würde nicht einfach gehen. Die Situation wäre völlig verfahren. Eine Belagerung durch die Polizei. Einsatzkommandos. Er wird sie als Geisel benutzen. So oder so könnte sie getötet werden. Ich muss versuchen, sie hier und jetzt aufzuhalten.
»Ich gehe nirgendwo hin.«
»Doch, machst du.« Rob blickt auf mich runter. »Du gehst in die Schule wie ein braver kleiner Junge.«
Es ist lustig, aber ich denke, Caro würde jetzt was sagen wie
Nein, geh nicht in die Schule
, selbst auf das Risiko hin, etwas zu verraten, nur um mich zu retten. Doch sie macht es nicht. Mich überkommt ein kaltes Gefühl, als würde ich innerlich erstarren. Ihr ist das, was auch immer sie vorhaben, wichtiger als ich.
»Ich weiß, was ihr machen wollt.«
»Ach ja?«, knurrt Rob. »Was denn?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ihr wollt … « Ich unterbreche mich, und versuche, meine Stimme
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