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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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so vieles auch die Eifersuchtskultur unter Musikern humorvoller, Noel Gallaghers Tiraden über andere Bands beispielsweise sind ja eigentlich erst so besonders unterhaltsam, seit er auf Bands schimpft, die aktuell etwas aufregender sind als Oasis. Aber egal. In Deutschland wird einem nur heimlich wispernd erzählt, wie zuweilen kompliziert das nun genau war, als Grönemeyer und Westernhagen eine Zeit lang von derselben Managementfirma betreut wurden. Einmal soll sogar ein Schreibtisch umgekippt worden sein, aber pscht! Bei so viel Angst und Kleinmut wahrt man das Schweigegelübde doch lieber und konzentriert sich auf die beiden Pappkartons.
    Also, bei Westernhagen wurde Anfang der 90er Jahre alles immer größer, Platin hier, Stadien da – doch springt man nun im Pappkarton mal zu seinem Spätwerk, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er von seiner letzten Stadion-Tournee 1999 geistig nie zurückgekommen ist.
    Grönemeyer brachte 1998 zu allseitiger Überraschung eine überaus ungrönemeyerige, vertrackte, großartige Platte heraus: »Bleibt alles anders«. Mittlerweile musizierte er von London aus; Westernhagen verlor sich derweil in italienischer Klosternähe, ihm waren die Themen ausgegangen, keinerlei Unmittelbarkeit war mehr in seiner Musik, er stand vor hunderttausenden Leuten und synthetisierte Gefühl, es war alles sehr groß, größer als je ein deutscher Musiker bis dahin agiert hatte – unddeshalb sind ja auch die Dinosaurier einst ausgestorben, die waren zu groß geworden, kamen nicht mehr an ihre Nahrung ran. Uns Meyers und Müllers jedenfalls war Westernhagen abhandengekommen.
    2002 erfolgte Grönemeyers künstlerische wie allgemeine Heiligsprechung, er veröffentlichte die spektakuläre Platte »Mensch«, Westernhagen mit dem Titel »Ab in den Wahnsinn« und Helnwein-Cover einen Haufen Mist, er lag so grauenhaft daneben und sprach davon, dass der 11. September irgendwie ein totaler Schock gewesen sei. Ja nun. Ich bekam damals eine Einladung, in der Berliner Neuen Nationalgalerie als Statist durch das Westernhagen-Video »Es ist an der Zeit« zu latschen, aber ich ging nicht hin, mir war das alles zu traurig, zu hohl, es war nicht an der Zeit, es war alles grundfalsch.
    Hatte Westernhagen den »Draht zu den Fans« verloren? Na, ich will es doch schwer hoffen. Dieser Kitsch des Auf-dem-Teppich-Bleibens immer, du liebes Bisschen – auf dem Teppich bin ich doch selbst, was soll denn bitte der Star dort? Möge sein Teppich meinetwegen ein fliegender Perserteppich sein, nur bitte irgendeinen Boden braucht es schon, auf dem der Künstler steht, von dem aus er sich mitteilt. Grönemeyers Texte waren nach der »Luxus«-Starre weniger pädagogisch geworden, seine Musik riskanter, da hatte ein Künstler seine Rezepte auf links gedreht, die eigene Routine sabotiert, bevor sie endgültig Masche geworden wäre – und Westernhagen sang »Ich bin wieder hier / In meinem Revier«, er sang vom Dreck, den er liebt (es ging angeblich ums – im Frühwerk noch glorios porträtierte, jetzt nurmehr strapazierte – Ruhrgebiet), und irgendwie haute das alles nicht mehr hin. Tief im Westen? Zu den Klängen von »Bochum« laufen heute noch die Spieler des VFL ins Stadion, und Grönemeyer hat nichts dagegen, staunt bloß, dass sich tatsächlich einige seiner Fans darüber beschwerten, nicht auf jeder seiner Live-DVDs dieses Lied zu finden.
    Das erzählte er auf der Presse-Präsentation seines Best-Of-Albums, an einem November-Abend 2008 in Berlin. Er saß auf einer Bühne und wurde vergnüglich befragt von Ina Müller, die ja auf angenehme Artaussieht, als handelten frühe Westernhagen-Kneipenlieder von ihr; hier aber sprach sie nun mit Grönemeyer. Als dieser den Raum betrat, klatschten die anwesenden Journalisten respektvoll zu Diensten, und das tun sie nun wirklich nicht häufig bei Pressekonferenzen. Grönemeyer, nein, nach diesem Abend kann man ihn eine Weile lang wieder nur Herbert nennen, so kumpelig und witzboldig trat er da auf – Herbert also war bester Laune.
    Natürlich fragte eine einzige kritische Nachrichtensender-Dame stupid in der Rollenprosa kritischer Nachrichtensender-Damen: »Warum eigentlich jetzt ein Best Of?« Aber alle anderen hatten das begriffen: Warum nicht? Und es stand ja auch groß an den Wänden, »Was muss muss«.
    Grönemeyer, Verzeihung, Herbert hat 34 Lieder ausgewählt, »im Team« natürlich; es gibt den neuen Hit und auch eine schmucke Sonderedition, mit DVD und Bildband

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