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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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hatte.
    Gestern abend noch hatte ich zu Peggy gesagt, man solle nichts aufwärmen, was hübsch gewesen ist. Aber ist nicht jede neue Liebe eine aufgewärmte alte Liebe?
    Während des Essens sprachen wir weder von dem toten Benjamin Rogers noch von dem toten Bill Nicholas; wir beobachteten nur ein Rotkehlchen, das offenbar sein Nest im Holzstoß hatte, und ich beschloß, einen Drahtzaun darum zu bauen, damit sich Sancho Pansa nicht allzusehr dafür interessieren konnte.
    »Ich weiß nicht«, sagte June nach dem Essen, »ich weiß wirklich nicht, was an dir ist, Jimmy, aber ich habe nie aufgehört, dich gern zu haben. Vielleicht ist es gerade das, daß gar nichts Besonderes an dir ist, was ich so gern mag. Du bist kein Draufgänger, wie es manche unserer Boys sind und wie es auch Billy war, und wir haben viel hübschere Burschen in der Redaktion, und vielleicht ist auch der eine oder andere dabei, der noch klüger ist als du. Und sicherlich sind es viele, die mehr Ehrgeiz haben. Du könntest längst Chefreporter sein, wenn du dich nur ein klein wenig mehr anstrengtest. Aber trotzdem wiegt das alles nicht so schwer wie das, was ich bei dir fühle: man wird ganz ruhig, wenn du da bist. — Wollen wir zum See hinunter?«
    Ich stand auf.
    »Jetzt noch nicht, es ist noch zu heiß. Aber später, June!«
    Ich holte den Whisky aus dem Wasser, der inzwischen erträglich kühl geworden war.
    Die Sonne war weitergewandert, und nun lag die kleine Bank vor dem Hause in der prallen, flimmernden Hitze. Ich trug die beiden Liegestühle aus dem Schuppen unter die Bäume. Ganz eng rückte ich sie nebeneinander, so daß ich Junes Arm an meinem Ellenbogen spürte. Ihre Haut war weich und kühl. Ich schloß die Augen. Es roch nach Sonne, Holz, heißem, flüssigem Harz, und ganz fein nach Junes, Parfüm.
    Irgendwo im Walde zankten sich geräuschvoll die Nußhäher.
    Mir war, als riefe mich Bill Nicholas.
    Ja, ich war kein Draufgänger, ich war nicht ehrgeizig, und ich tat jetzt nicht einmal das, weshalb ich hergekommen war: ich kümmerte mich nicht um Bill.
    Ich drehte meinen Kopf mit geschlossenen Augen zu June und atmete ihren Geruch tief in mich hinein. Ich war schon so alt, daß ich warten konnte; ich war alt genug, um den großen, unermeßlichen Wert der Vorfreude zu kennen und um mir die Freude selbst bis zum Abend aufzuheben. Erfüllung und Ende ist das gleiche. Wenigstens bei mir.

    Es war Abend geworden. Die Sonne stand zwar noch am Himmel, aber sie hatte sich hinter den breiten Rücken des Walnußbergs gesenkt, so daß der See schon im Schatten lag. In dunklem Purpurrot glühte der Wasserspiegel; der Wald am anderen Ufer zeigte ein sattes Violett in vielen Schattierungen. Einfallende Wasservögel schnitten Silberstreifen in den See, und ganz leise drang Musik zu uns herüber, die von den beiden gelben Zelten kam. Es war Freitag abend, und das Wochenende hatte begonnen.
    June lag neben mir in dem feinen, weißen Ufersand, der immer noch warm war. Wir hatten uns müde geschwommen, Steine über das Wasser tanzen lassen und versucht, das Nest eines Rohrsängers zu finden, was uns jedoch nicht gelungen war. Von Bill hatten wir die ganze Zeit kein Wort gesprochen.
    »Gib mir bitte eine Zigarette«, sagte June.
    Ich zündete eine an und steckte sie ihr zwischen die Lippen, an denen ich mit meinem Finger behutsam entlangstreichelte. Es war so windstill, daß der Rauch beinahe senkrecht aufstieg.
    June stützte sich auf die Ellenbogen und blickte mich an.
    »Ich möchte dir helfen, Jimmy«, sagte sie. »Aber du solltest mir nun endlich die Wahrheit sagen.«
    »Wovon sprichst du?« fragte ich zurück. Ich wußte wirklich nicht, was sie meinte.
    »Hast du Bill Nicholas vergessen? Oder interessiert er dich nicht mehr?«
    »Ich habe die ganze Zeit an ihn gedacht«, antwortete ich, »immer wieder. Es ist wie ein Traum. Man will vor irgend etwas weglaufen. Zuerst geht man seines Weges, und das Unheimliche kommt hinter einem her. Dann geht man schneller und schneller, und zum Schluß rennt man in Todesangst davon, bis man plötzlich merkt, daß man gar nicht von der Stelle kommt. Bist du nur deshalb mit mir hierhergekommen, um mich nicht allein zu lassen, während Billy beerdigt wurde?«
    Sie setzte sich auf und schlang ihre Arme um die Knie. Ihre Augen musterten mich ruhig, aber es war eine merkwürdige Überlegenheit in diesem Blick.
    »Nicht nur deshalb, Jimmy. Aber vielleicht solltest du mehr Vertrauen zu mir haben und mir sagen, was du

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