Auch ein Waschbär kann sich irren
wirklich weißt.«
Nun zündete ich mir auch eine Zigarette an.
»Ich weiß aber immer noch nicht, wovon du sprichst. Ich habe dir doch alles gesagt, was ich weiß.«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Es war nur eine kleine unwillige Bewegung.
»Ich will dich nicht beeinflussen«, sagte sie. »Du mußt selbst wissen, was du tust. Aber ich glaube nicht, ich hab’s von Anfang an nicht geglaubt, daß du nur hierhergekommen bist, um an Bills Beerdigung teilzunehmen. Du weißt nämlich, weshalb Bill sterben mußte. Und du weißt auch, was Benjamin Rogers damit zu tun hatte, und du weißt, wer ihn umgebracht hat.«
»June!«
Ich starrte sie fassungslos an und wußte nicht, was ich darauf antworten sollte.
Sie grub mit ihren schlanken Fingern ein kleines Loch, das aussah wie ein Grab, legte ihre halbgerauchte Zigarette hinein und strich den Sand wieder darüber. Ihre Augen waren nun auf den See gerichtet, dessen Purpur sich in ihnen spiegelte.
»Was hättest du dem Polizisten gesagt«, fragte sie, ohne mich anzublicken, »wenn ich nicht bei dir gewesen wäre?«
Ich versuchte eine Weile, mir über den Sinn dieser Frage klarzuwerden, aber mir fehlte jeglicher Zusammenhang.
»Ich verstehe dich nicht, June. Ich hätte ihm natürlich genau das gleiche gesagt.«
Nun wandte sie sich mir wieder zu.
»Ich war nicht im Waschraum, Jimmy. Aber ich wußte sofort, was der Leutnant mit seiner Frage wollte. Du weißt so gut wie ich, daß ich in der Zeit, während du die Fenster öffnetest, in der Diele stand und mit dem Waschbären spielte. Ich war nicht im Waschraum.«
Jetzt erinnerte ich mich daran, daß der Leutnant sie danach gefragt hatte. June hatte bestätigt, im Waschraum gewesen zu sein.
»Ich kapiere das alles nicht, June. Was soll das bedeuten?«
»Ich merkte es ihm sofort an, daß er etwas entdeckt haben mußte, und überlegte, was es hätte sein können. Ich gab ihm meine Antworten auf gut Glück — es hätte genausogut schiefgehen können. Er hatte Puder im Waschbecken gefunden, und ich hab’s zufällig erraten. Gott sei Dank entdeckte er kein schwarzes oder blondes Haar, denn dann hätte er genau gewußt, daß es nicht von mir sein konnte. Für ihn ist das nun wohl erledigt, aber nicht für mich und erst recht nicht für dich, Jimmy. Ist die Frau, die sich in deinem Waschraum gepudert hat, ist sie deine Freundin?«
»Ich schwöre dir, June, bei allem, was mir heilig ist, daß ich keine Freundin habe, wenigstens keine, die in letzter Zeit in mein Haus gekommen ist.«
Eine Weile schwiegen wir beide. Ich konnte nicht sehen, ob sie mir glaubte.
Endlich, nach einer Ewigkeit, sagte June mit einer beinahe geschäftsmäßigen Sachlichkeit:
»Wenn sich Benjamin Rogers nicht selber gepudert hat, dann muß es ja wohl eine Frau getan haben. Entweder hat sie Rogers erschossen oder sie war mit dabei, als jemand anders ihn tötete. Vielleicht machen wir einen großen Fehler.«
»Welchen?«
»Wir gehen jetzt davon aus, daß Rogers’ Tod mit Bill Nicholas zusammenhängt. Das muß aber gar nicht so sein.«
Ich stand auf und reichte June die Hand, zog sie hoch und sagte:
»Komm — gehen wir hinauf.«
Ich legte ihr meinen Bademantel über die Schultern und zog sie an mich. Sie ließ es geschehen, und ich spürte ihre kühle Haut an meinem Körper. Das Leben ist dazu da, gelebt zu werden, und ich war hungrig!
Ich küßte June, bis sie sich aus meiner Umarmung löste.
»Jimmy«, sagte sie ruhig, »wir sollten uns nichts vormachen. Wir sind beide nicht mehr jung genug, um Illusionen mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Du bist einsam, du bist traurig über Billys Tod, und du bist jetzt in Sorge, wie das alles enden wird. Es ist nur ein Zufall, daß ich gerade da bin. Es ist besser, wenn du mich nachher nach Hause fährst.«
Wahrscheinlich hatte sie recht, aber ich wollte das nicht wahrhaben. Idi war verrückt nach ihr, und ich wäre in diesem Augenblick bereit gewesen, Bill Nicholas und alles andere auf der Welt zu vergessen.
Ich riß sie wild und verzweifelt an mich.
»June! Es ist umgekehrt: nur unsere Illusionen sind die Wahrheit! Laß mir die Illusion, laß mir den Glauben, dich zu lieben, und laß mir noch diese eine Nacht.«
Ich sah, daß sie ihre Augen geschlossen hatte, und ich spürte keinen Widerstand gegen mich. Ich glaubte schon, gewonnen zu haben, aber dann schlug sie ihre Augen auf und sagte:
»Vielleicht gehört der Puder zur gleichen Frau, die dich angerufen hat?«
»Zum Teufel, ja!« rief
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