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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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solcher Männer.«
    Sie streichelte mir durchs Haar.
    »Verrenn dich nicht, Jimmy. Sprich mal mit Billys Schwester und überleg dir dann genau, was du tun willst. Und wenn ich dir helfen kann, dann will ich’s gern tun.«
    Ich ließ die Bilder im Wasser schwimmen, wusch mir die Hände und sagte:
    »Ich danke dir, June. Wann kommt Randy Whiler aus Yuma zurück?«
    »Am Dienstagabend.«
    »Gut. Ich werde dann auch zur Redaktion kommen, und dort kann er mir seine Berichte geben. Übrigens heißt der Mann, den ich fotografiert habe, angeblich Oliver Marion. Er ist nach San Franzisko weitergeflogen, wenigstens laut Flugschein. Er stieg aber in Los Angeles aus. Könntest du feststellen lassen, wie viele Oliver Martons es hier und in San Franzisko gibt?«
    »Ich will’s versuchen.«
    Wir besprachen das noch, und eine Viertelstunde später brachte ich June nach Burbank, wo sie nicht weit von den Disney-Studios am Riverside Drive wohnte.
    »Kommst du noch mit hinauf?« fragte sie.
    Es war erst 21.30 Uhr. Ich hatte absolut keine Lust, den Abend allein mit meinen wirren Gedanken in meiner einsamen Klausur zu verbringen.
    »Lieber nicht«, sagte ich lächelnd, »ich könnte vielleicht wieder in Anfechtung fallen.«
    Ihre Hand lag immer noch in meiner, als sie, ebenfalls lächelnd, sagte:
    »Sei nicht kindisch, Jimmy. Trink noch eine Tasse Kaffee, und dann sorge ich schon dafür, daß du mit deinen Anfechtungen fertig wirst.«
    Ich folgte ihr lachend in ihre Wohnung hinauf. June bewohnte ein Zweizimmerappartement mit einem Balkon zum Fluß hinaus, wo wir später unseren Kaffee tranken.
    Ich hätte aber doch besser nicht mitkommen sollen. Unser Gespräch schleppte sich, mit langen Pausen, mühsam dahin, da wir es beide vermieden, von dem zu sprechen, was uns wirklich beschäftigte.
    Um 23 Uhr verließ ich June. An der nächsten Kneipe machte ich halt und ließ mich langsam voll Whisky laufen. Ich hockte an der Bar und starrte in den Spiegel. Ich sah ein müdes, altes Gesicht mit tiefen Falten. Die Augen blickten mich mit der sentimentalen Melancholie eines Clowns an: ich hatte wieder einmal gründlich genug von mir.
    Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich nach Hause fuhr. Den ganzen Weg über summte ich stumpfsinnig eine Melodie vor mich hin, die ich in der Bar gehört hatte. Zu Hause stellte ich den Wagen so, daß die Scheinwerfer das Gehege anstrahlten. Sancho Pansa hockte in seiner kleinen Hütte. Seine Augen schimmerten mich grün an, und als ich zu ihm hineinging, um ihn zu streicheln, zog er sich murrend zurück.
    Ich genehmigte mir in der Küche noch einen Schluck Whisky, der viel zu warm war. Die Küche war sauber und aufgeräumt. June! — Ach was... June!
    Ich legte mich ins Bett, und dann fielen mir die Fotos wieder ein, die noch immer im Wasser schwammen. Ich stand auf und ging mit meiner Taschenlampe in den Waschraum.
    Die Wässerungsschale war leer! Die Bilder waren weg, und der Film war ebenfalls verschwunden!
    Sekundenlang sah ich June vor mir, grell wie von einem Blitz beleuchtet. Sie hatte mich im »Tucson« angerufen, sie wollte mich hier haben, ihr hatte ich von der Pistolenkugel erzählt, die verschwunden war, sie hatte ich nach diesem schwarzhaarigen Oliver Marton gefragt und ihr die Bilder gezeigt, und sie konnte Film und Fotos mitgenommen haben!
    Dann aber erinnerte ich mich daran, daß June ja schon im Wagen saß, als ich noch einmal ins Haus zurückkehrte, um das Wasser zu wechseln. Verzeih mir, June, ich bin betrunken und verrückt.

    Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, badete ich im See, kochte mir einen starken Kaffee, und dann baute ich einen Drahtzaun um den Holzstoß, damit die Rotkehlchen nicht gestört wurden.
    Hierauf fuhr ich in die Stadt und war schon um 9 Uhr vor dem Haus in Glendale, wo Billy gewohnt hatte. Unten drin waren ein Milchgeschäft und ein Drugstore. Ich kannte den Mann im Drugstore und ging hinein. Er erkannte mich sofort.
    »Scheußlich, was?« sagte er. »Er war ein so netter Kerl und noch so jung. — Einen Whisky?«
    »Zweistöckig. Ich hab’s unterwegs erfahren und bin vorhin erst zurückgekommen. Ich will mal nach seiner Schwester sehen. Ist sie noch oben?«
    »Ich glaube, ja«, sagte der Mann. »Ich hab’ sie jedenfalls noch nicht weggehen sehen.«
    Ich stieg fünf Minuten später in den ersten Stock hinauf. Es war ein Haus mit vielen billigen Wohnungen, und obwohl es noch so früh war, roch es schon nach Essen im Treppenhaus. Billy hatte nicht besonders

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