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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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ich, »vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht, aber ich weiß, daß du jetzt da bist, und ich laß dich nicht fort, June!«
    Sie stand regungslos vor mir. Ihre, grauen Augen glitzerten und sahen plötzlich böse aus, so böse, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
    »Liebst du mich, Jimmy?« fragte sie.
    »Ich... ja, natürlich... ich... nein! Teufel noch mal, ich liebe dich nicht, aber ich will dich haben!«
    Sie drehte sich wortlos um und begann, zum Haus hinaufzusteigen. Ich setzte mich auf einen großen flachen Stein und rauchte noch eine Zigarette; dann folgte ich ihr.
    Sie hantierte in der Küche. Ich ging ins Schlafzimmer und packte nun endlich meinen Koffer aus. Ich öffnete das Etui mit meinen Rasiersachen und schüttete den Inhalt auf mein Bett. Dann ging ich zu June in die Küche hinüber.
    »June, es ist schon wieder etwas Rätselhaftes geschehen.«
    »So?«
    »Ja. Ich weiß genau, daß ich die Pistolenkugel, die ich aus der Matratze geholt hatte, zu meinen Rasiersachen getan hatte. Sie ist weg!«

3

    June legte zwei Holzscheite nach, dann sagte sie: »Na schön, dann ist sie eben weg. Du bist gar nicht verpflichtet, mir irgend etwas zu beweisen. Ich glaube dir ohnedies nur die Hälfte, Jimmy.«
    »Himmel, June! Ich spreche die reine Wahrheit! Du kannst im Hotel anrufen und dich erkundigen. Ich hab’ die Kugel in das Etui getan, und jetzt ist sie nicht mehr drin.«
    Nun lächelte sie mich entwaffnend an.
    »Aber Jimmy! Du bist wirklich immer noch der alte. Wie oft hast du früher solche Behauptungen aufgestellt, und dann kam heraus, daß du es tun wolltest, es aber vergessen hast zu tun.«
    »Jemand muß sie mir weggenommen haben.«
    Ich holte Erdnüsse und Hundekuchen aus dem Küchenschrank und ging schweigend hinaus zu Sancho Pansa, der schon aufgeregt und händereibend vor seinem Napf saß. Ich schüttete das Fressen hinein und stellte die Futterschüssel neben das Wasser, dann kehrte ich ins Haus zurück, wo ich die Spirituslampen anbrannte. Die ganze Zeit überlegte ich, wann und wo ich meinen Koffer unbeaufsichtigt gelassen hatte. Ob Peggy — nein, der Koffer hatte neben mir gestanden, und Peggy hätte nicht unbemerkt drangekonnt. Es mußte schon im Hotel passiert sein, wahrscheinlich morgens, während ich im Bad war. Aber da hatte ich doch mein Rasierzeug bei mir gehabt!
    June rief mich, und ich brachte ihr eine Lampe in die. Küche.
    »Mach mir doch bitte diese Büchse auf, Jimmy.«
    Ich öffnete sie, und während June die Pilze in zerlassener Butter wärmte, sagte sie:
    »Ich will dir wirklich helfen, Jimmy. Und ich möchte nicht, daß du in irgendeine zwielichtige und gefährliche Sache schlitterst. Ich werde Ronny Brown alles erzählen. Er hat Erfahrung in solchen Dingen und außerdem einen guten Riecher, und wenn es ihm so scheint, als ob da etwas nicht stimmte, dann wird er tun, was er tun kann. Aber laß du deine Finger ‘raus, Jimmy, du bist wirklicht nicht der Mann dafür.«
    »Ja, ja«, sagte ich bitter, »ich weiß schon. Ich bin viel zu blöd, und man kann mir keine andere Arbeit geben, als über Kindernahrung oder Zuchtstiere oder die Verhütung von Milben im Vogelkäfig zu berichten. Aber eins sage ich dir jetzt, June, und zwar allen Ernstes: wenn du Brown auch nur ein Sterbenswörtchen sagst, dann ist es aus zwischen uns. Ich weiß noch nicht, was ich tun werde und ob ich überhaupt was tue, aber wenn — dann will ich’s allein tun. Und jetzt reden wir nicht mehr davon.«
    Wir aßen draußen vor dem Hause zu Abend. Nach dem Essen fragte ich June, ob sie nun gleich fahren wolle oder ob sie noch eine halbe Stunde Zeit habe.
    »Ich hab’ noch Zeit«, sagte sie.
    »Gut. Dann möchte ich dir noch etwas zeigen.«
    Ich ging hinein, nahm den Film aus der Kamera und entwickelte ihn im Waschraum. Die Negative waren gut belichtet und scharf. Ich legte den nassen Film in den Vergrößerungsapparat und machte Vergrößerungen, dann rief ich June.
    »Kennst du diesen Mann?«
    Auf zwei Aufnahmen war er sehr deutlich, auf einer blickte er sogar direkt in den Apparat.
    »Nein«, sagte June. »Wer ist das?«
    »Ich weiß es nicht. Der Mann, der auf mich geschossen hat, war klein, schmächtig, schwarzhaarig, mit gelblichem Teint. Dieser Mann hier, der mit der gleichen Maschine hierherflog, sah genauso aus. Ich habe ihn von der Stewardeß fotografieren lassen. Du kennst ihn also nicht?«
    June schüttelte den Kopf.
    »Nein, aber es ist kein besonders auffälliger Typ. Es gibt viele

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