Auch Engel Moegens Heiss
E.B. haben hier zwei wunderbare Kinder großgezogen. Als E.B. das Zeitliche gesegnet hat, haben mir die Kinder einen großen Trailer gekauft, den wir hinter dem Haus meines ältesten Sohnes aufgestellt haben, damit ich jemanden in der Nähe habe, wenn ich krank werde oder so. Trotzdem würde ich das alte Haus nicht gern verkaufen. Es war mir lange Zeit ein Heim. Und ich kann die Mieteinnahmen gut brauchen.«
Die durchhängende Holzveranda schien unter Mrs. Phipps’ Gewicht noch ein bisschen weiter nachzugeben; Daisy blieb ein paar Schritte zurück, nur für den Fall, dass sie Hilfe holen musste, wenn Mrs. Phipps durch den Boden krachte. Doch die alte Dame erreichte ohne jeden Zwischenfall die Haustür, wo sie den Kampf mit dem widerspenstigen Schloss aufnahm. Endlich
ließ sich der Schlüssel drehen, woraufhin Mrs. Phipps ein zufriedenes Grunzen hören ließ. »Dann wollen wir mal. Ich habe alles sauber gemacht, nachdem die letzten Mieter ausgezogen sind, Sie brauchen sich also keine Gedanken zu machen, dass noch Müll rumliegt.«
Das Haus war sauber, stellte Daisy bei ihrem Eintritt erleichtert fest. Natürlich roch es muffig, aber es roch nach einem leer stehenden Hauses, nicht nach Unrat.
Die Räume waren wirklich klein, vor allem die Küche war kaum so groß, dass man einen kleinen Tisch und zwei Stühle hineinzwängen konnte, sodass sich Daisy lieber nicht ausmalte, wie eng es damals mit einer vierköpfigen Familie gewesen sein musste. Alle Böden waren mit zerschlissenem Linoleum ausgelegt, das aber mit Teppichen überdeckt werden konnte. Auch das Bad war klein, doch war hier die alte Badewanne irgendwann gegen eine blaue Fiberglaswanne mit Duscheinheit ausgetauscht worden, die in krassem Gegensatz zu der weißen Toilette und dem weißen Waschbecken stand. Aus einer Wand ragte ein kleiner Radiator heraus.
Schweigend durchschritt sie noch einmal alle Räume und versuchte sich dabei vorzustellen, wie sie wohl mit Lampen und Vorhängen und gemütlichen Möbeln aussehen würden. Wenn sie das Haus mietete, würde sie Klimaanlagen für die Fenster, Teppiche für sämtliche Böden, Küchengeräte und Wohnzimmermöbel kaufen müssen. Ein Schlafzimmer besaß sie bereits, Gott sei Dank, aber wenn sie sich nicht auf das allerbilligste Gerümpel beschränken wollte, würde sie ungefähr sechstausend Dollar ausgeben müssen, um das Haus halbwegs wohnlich einzurichten. Zum Glück lebte sie nicht in einem Landesteil, wo die Lebenskosten höher waren, sonst wären die anstehenden Ausgaben mindestens doppelt so hoch. Das Geld hatte sie - das war kein Problem -, aber sie hatte noch nie in ihrem Leben so viel auf einmal ausgegeben. Schon bei dem blo ßen Gedanken krampfte sich ihr Magen vor Angst zusammen.
Sie stand vor der Wahl, das Geld auszugeben oder weiter im Haus ihrer Mutter zu wohnen, bis sie alt und grau wurde und starb. Und zwar allein.
»Ich nehme es.« Die Worte hörten sich ungewohnt und wie aus weiter Ferne an, so als hätte jemand anderer für sie gesprochen.
Mrs. Phipps’ rundliches rosa Gesicht hellte sich auf. »Wirklich? Ich hätte nicht gedacht - also, ich meine, Sie sehen gar nicht so aus … Das war früher eine richtig nette Straße, aber die Gegend ist ein bisschen runtergekommen und …« Schließlich ging ihr der Dampf aus, ohne dass sie ihrem Erstaunen Ausdruck verleihen konnte.
Daisy konnte es ihr nachfühlen. Noch vor einer Woche - ach Unsinn, noch gestern! - hätte sie sich genauso wenig vorstellen können, hier zu wohnen.
Bei ihr mochte eventuell Not am Mann sein, aber über den Tisch ließ sie sich trotzdem nicht ziehen. Sie verschränkte die Arme und setzte ihre ernsteste Bibliothekarinnenmiene auf. »Die Veranda vor dem Haus muss unbedingt repariert werden. Wenn Sie möchten, erledige ich das für Sie, aber nur wenn die Reparaturkosten in voller Höhe auf die Miete angerechnet werden.«
Mrs. Phipps verschränkte ebenfalls die Arme. »Warum sollte ich mich darauf einlassen?«
»Zugegeben, kurzfristig entgehen Ihnen Einnahmen, aber auf lange Sicht wird dadurch der Wert Ihres Eigentums gesteigert und Sie können beim nächsten Mal mehr Miete verlangen.« Daisy hoffte, dass Mrs. Phipps den langfristigen Nutzen sah und nicht nur auf die Mietzahlungen schielte. Wie viel die Reparatur kosten würde, vermochte Daisy nicht einmal zu überschlagen, aber die Miete sollte nur hundertzwanzig Dollar im Monat betragen, sodass Mrs. Phipps möglicherweise mehrere Monate lang keine Miete kassieren
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