Auch Engel Moegens Heiss
einem Taschentuch wischte er alles, was er berührt hatte, sorgfältig ab; dann verschwand er wieder durch Nadines Vorzimmer. Er kehrte durch den unterirdischen Gang ins Polizeigebäude und dort in sein Büro zurück, wo er alle Papiere, die er zuvor verstreut hatte, wieder aufstapelte, damit Eva Fay nicht merkte, dass er während ihrer Abwesenheit hier gewesen war. Zuletzt schaltete er das Licht aus und schloss ab. Alles war genauso, wie er es vorgefunden hatte.
Er machte sich auf den Weg zum Hinterausgang; inzwischen war Leben auf dem Revier eingekehrt; ein Streifenpolizist hatte einen alkoholisierten Autofahrer eingeliefert, einen zwei Meter großen Schrank, der mindestens 150 Kilo wog. Als Jack durch die Tür trat, schauten Sergeant Wylie und der Kollege kurz zu ihm herüber und achteten einen Sekundenbruchteil nicht auf ihren Gefangenen, der seine Chance zur Flucht gekommen sah, mit einer Schulter den Beamten wegschubste, dass er durch die halbe Station flog, und dann den Kopf senkte, um ihn geradewegs in Wylies Magen zu rammen.
Jack hatte schon länger nicht mehr kämpfen müssen. Mit einem Freudenschrei stürzte er sich ins Getümmel.
Zu dritt gelang es ihnen schließlich, den Riesen zu überwältigen, auch wenn sie zu drastischen Mitteln greifen mussten, ehe sie ihn am Boden hatten. Nur gut, dass der Kerl in Handschellen war, sonst hätte sich jemand ernsthaft verletzen können. Auch so verzog Sergeant Wylie, nachdem sie den Autofahrer erst gebändigt und gefesselt hatten, das Gesicht, als er sich an die Rippen fasste.
»Ist was gebrochen?« Jack wischte Blut unter seiner Nase weg.
»Ich glaub nicht. Wahrscheinlich nur geprellt.« Aber er verzog erneut das Gesicht, als er sie berührte.
»Lassen Sie sich untersuchen. Ich übernehme das hier.«
Der Streifenbeamte Enoch Stanfield hatte sich eine dicke Lippe und ein blaues Auge eingefangen. Leicht bebend nach dieser Überdosis Adrenalin, tränkte er sein Taschentuch am Wasserspender und presste dann den nassen Stoff auf sein Auge. »Mein Gott, ich liebe diesen Job«, keuchte er erschöpft. »Nirgendwo sonst hätte ich die Möglichkeit, mich jeden Tag so zurichten zu lassen.« Er sah Jack an. »Man hätte meinen können, Sie hätten sich gut amüsiert, Chief.«
Jacks Blick kam auf dem trunkenen Riesen zu liegen, der in Tiefschlaf gefallen war, gleich nachdem sie ihn gefesselt hatten.
Gargantuanische Schnarcher stiegen rumpelnd aus seinem riesigen Mund. »Ich lebe für solche Tage.« Auch Jack fühlte sich schlagartig verausgabt, auch wenn er nicht so zitterte wie Stanfield.
Er musste einen weiteren Beamten herrufen, der ihnen half, den Betrunkenen in die Ausnüchterungszelle zu schleifen, wo er seinen Rausch ausschlafen konnte. Außerdem bestellte er einen Notarzt aufs Revier, der kontrollieren würde, ob es dem Arrestanten gut ging, dass es sich nicht um einen Insulinschock oder etwas Ähnliches handelte, auch wenn das Atemanalysegerät anzeigte, dass ihr schlafender Gast schlicht und einfach sternhagelvoll war, eine Diagnose, die der Arzt letztendlich bestätigte. Auf Stanfields Auge wurde eine Kühlpackung gelegt, seine Lippe wurde vernäht, und ein zweiter Kühlpack landete auf Jacks linker Hand, die allmählich anzuschwellen begann. Er hatte keine Ahnung, wie er sich die Hand verletzt hatte, aber so war das eben bei einer Rauferei: Man warf sich einfach in den Kampf und machte erst hinterher Inventur. Bis er alles geregelt hatte, darunter auch die Frage, wer für Wylie bis Schichtende einsprang, war es beinahe halb elf; die Männer von der dritten Schicht waren schon zur Übergabe eingetroffen, aus der zweiten Schicht waren alle Kräfte außer Wylie anwesend, und ein paar Leute aus der ersten Schicht hatten über Funk von dem Aufruhr gehört und waren hergekommen, weil sie sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Schließlich wurde der Chef nicht jeden Tag in eine Rauferei mit einem Betrunkenen verwickelt.
»Ich fürchte, das wird Eva Fay garantiert zu Ohren kommen«, meinte Jack trübselig, womit er allgemeines Gelächter erntete.
»Sie wird Ihnen ganz schön die Hölle heiß machen, dass Sie ohne sie hergekommen sind«, bestätigte Markham, mit seinen zwanzig Dienstjahren ein alter Kämpe im Polizeidienst, fröhlich.
Die Männer, begriff Jack, genossen die Situation von Herzen. Die Leute aus den unteren Rängen bekamen ihren Chef nicht oft im körperlichen Einsatz zu sehen. Sie waren ein wenig reserviert ihm gegenüber, was nicht
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