Auch Schmetterlinge können weinen (Der romantische Heftroman für den Kindle) (German Edition)
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Ihr Gesicht war plötzlich so bleich geworden, das es sogar Silvy Peters mit der Angst zu tun bekam. »Soll ich dich nach Hause bringen oder wenigstens ein Taxi rufen? «
»Das sind zwei Fragen, die ich dir ganz kurz beantworten kann. Ein Zuhause habe ich nicht mehr, und für ein Taxi reicht mein Geld nicht. Ich brauch nur etwas frische Luft, die gibt es im Augenblick noch gratis. « Mit gesenktem Kopf ging Karen aus dem Büro, gefolgt von den besorgten Blicken ihrer, Kollegin.
Der Vormittagsverkehr rauschte an ihr vorbei, ohne dass sie davon etwas wahrnahm, und nicht einmal das muntere Gezwitscher der Vögel im Stadtpark. konnte Karen aus ihrer Versunkenheit herausholen.
Ausgerechnet im Wonnemonat Mai musste das Schicksal so grausam zuschlagen. Dabei hatte sie sich gerade auf diesen Monat so gefreut, denn in einer Woche war ihr vierundzwanzigster Geburtstag.
Bei dem Gedanken an diesen denkwürdigen Tag stiegen ihr nun doch die Tränen in die Augen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sie abzuwischen. Es war ohnehin alles egal.
Manch einer der Leute, die an ihr vorbeihasteten, schaute sie verwundert an. Schließlich kam es nicht oft vor, dass man bei solch einem herrlichen Frühlingswetter einem weinenden jungen Mädchen begegnete.
Wie eine Zuflucht erschien Karen der Stadtpark, der um diese Tageszeit kaum besucht war. Die meisten Menschen gingen ihrer Arbeit nach und hatten keine Zeit, um in der Sonne spazieren zu gehen.
Lange hielt es die junge Frau jedoch nicht aus in dieser friedlichen Umgebung. Plötzlich hatte sie das Gefühl, verrückt zu werden, wenn sie nicht sofort etwas unternehmen konnte. Irgendeinen Ausweg aus diesem Dilemma musste es geben.
Wie magisch zog sie der Fluss an, der die Stadt in zwei Hälften teilte. Karen sah weder nach rechts noch nach links, als sie auf die Brücke zusteuerte, die die beiden Hälften miteinander verband. Erst als sie oben stand, wachte sie aus ihrer Erstarrung auf.
Unten wälzte sich das graue Wasser durch das breite Bett, riss Holz und andere Gegenstände mit sich, und oben stand Karen und starrte wie geistesabwesend hinunter. Ihre Hände um klammerten das Geländer.
Jetzt sich einfach fallen lassen können, alles vergessen und versinken in diesen zischenden Massen wilden Wassers.
Was gab es Einfacheres, Naheliegenderes, um aus diesem Dilemma wieder herauszukommen, in dem sie sich befand?
Immer weiter beugte sich Karen nach vorn, immer stärker wurde der Sog, der sie in die Tiefe reißen wollte. Sie sah nur das Wasser und konnte nur eines denken: Vergessen um jeden Preis. Und doch war da eine Stimme in ihr, die ihr mahnend ins Gewissen redete.
Doch Karen wollte nicht auf diese Stimme hören. Sie sagte ihr nur, was sie nicht tun sollte. Eine Lösung ihres Problems jedoch wußte diese Stimme nicht. Damit stand Karen ganz allein da.
Noch weiter beugte Karen ihren Oberkörper nach vorn. Sie sah nur noch das Wasser, kein Ufer mehr. In ihrem Kopf war ein einziges Durcheinander von Gedanken und Gefühlen. Dann breitete sie die Arme aus, um sich fallen zu lassen…
***
»Warten Sie hier, Karl, ich bin gleich wieder zurück. « Werner Bostels Stimme klang hart. »Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich nicht mehr zurückfinde. Schließlich bin ich diesen Weg schon viele Male gegangen. Ich weiß genau, wie viele Schritte es sind. «
»Ich könnte Sie doch bringen und später wieder abholen«, wandte der schon ältere Chauffeur zaghaft ein. »Sie könnten stolpern und stürzen. «
»Lassen Sie das, Karl. Ich bin kein Säugling, dem man jeden Handgriff erst beibringen muss. « Der Mann griff verärgert nach seinem Stock, den ihm der Fahrern die Hand gab.
Nein, kein Säugling, hätte Karl am liebsten herausgeschrien, aber blind, verdammt noch mal. Doch der ältere Mann mit dem schlohweißen Haar schwieg. Er senkte nur den Kopf, weil er den Anblick des sich vorwärts tastenden Mannes nicht mehr ertragen konnte. Mitleid schnürte ihm die Kehle zusammen.
»Wenn ich in zwanzig Minuten nicht zurück bin, dann holen Sie mich ab. « Werner Bostel merkte wohl, dass er seinen Fahrer gekränkt hatte. Er wußte, dass der es nur gut mit ihm meinte und ihm helfen wollte. Doch gerade diese Hilfe, dieses Mitleid, das die Umwelt mit ihm, dem Blinden, hatte, brachte ihn fast zur Verzweiflung.
Er presste die Lippen zusammen und schloss einmal kurz die Augen. Dann ging er langsam durch das hohe, schmiedeeiserne Friedhofstor, nachdem er rechts und links alles mit
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