Auch unter Kuehen gibt es Zicken
will.
Auf der Alm sind Dinge zu tun, und die tust du, und fertig. Den Brunnentrog schrubben. Die Blätschen vor der Hütte abmähen. Den Viechern ihr Salz bringen. Abends mit der Fiona quer durch den Risserkopf-Kessel steigen und ihre Kälber nach Hause holen. Neben der Selma stehen und aus der Stalltür rausschauen, bis die Sonne hinterm Hochlatsch verschwindet. Auf der Alm bin ich müde abends, weil ich das alles gemacht habe. Weil’s gut is jetzt. Almfrieden.
Fiona reicht mir ein Glas. Einen perlsprudelnden Humpen. Eine Zitronenscheibe schwimmt darin und lila Kornblumenblüten. Voilà. »Ein Alm-Hugo.«
»Wow«, sage ich und hab vom Hinschauen schon einen Rausch.
»Im Tal kannst dann wieder aus Sektgläsern trinken«, säuselt Fiona. Auf der Alm nimmt man halt, was da ist. Prost.
Ich habe auch wirklich was zu betrinken.
Ich habe nämlich meinen Ex beim Penny getroffen. Das heißt, von Weitem gesehen. Seine neue Freundin ist ziemlich hübsch. Eine typische Bergsportlerin. Farblich abgestimmt in Softshell und DryExtreme. Eigentlich nicht der Penny-Typ. Sie haben sich nach einer Klettertour (ich tippe auf Wilden Kaiser) und Stau auf der Autobahn (wieso wär’n sie denn auch sonst bei uns im Tal, wo’s ja keine g’scheit’n Berge hat) bei meinem Penny ihre Brotzeit gekauft.
Billy im Kofferraum hat ihn auch gesehen. »Wuiiiii, wuiiiii, wuiiiiiiiiii!« Er liebt diesen Mann.
»Billy, leise.«
Aber wenn ein Hund etwas nicht versteht, dann, warum man sich vor Menschen, die man liebt, versteckt. Ihnen aus dem Weg geht. Ihre Kreise nicht stört.
Mein Ex kennt meinen Golf nicht. Also weiß er nicht, dass ich zehn Meter neben ihm hocke. Wie ein Schnüffler in einem schlechten Film, tief in den Fußraum runtergerutscht. Aber neugierig genug bin ich, dass meine Nase über den Rand des Seitenfensters linst.
Sie essen unter der offenen Kofferraumklappe. An den Rucksack und ein Kletterseil gelehnt. Sie kaut langsam. Bewusst. Bestimmt weiß sie, dass man sein Essen 32-mal kauen sollte, bevor man es runterschluckt. Erst dann wird Nahrung wertvoll und nicht zu Fettpolstern. Sie essen jeder eine Breze, ein Stück Käse, ein paar Nüsse, und dann teilen sie sich einen Apfel ...
Sie haben ja Zeit.
Ich nicht.
Ich sollte seit einer halben Stunde schon auf dem Weg zur Alm hinauf sein. Die Kälber machen mit Sicherheit Stau vorm Stall. Und wenn nicht, müsst ich längst unterwegs sein, sie suchen.
Ich hätte auch aussteigen können, nett Hallo sagen und einen peinlichen Moment verursachen. Keiner hätte die Spannung mehr ausgehalten. Vielleicht hätt ich ihn im Reflex geküsst. Peinlich.
Wie lang ist das her?
Jahre.
Jahrzehnte!
Ich bleibe auf Tauchstation, bis sie auch noch die Brösel ihres Zwetschgendatschi mit Streusel aufgeschleckt (er) beziehungsweise in den Gulli geschüttelt haben (sie). Und noch einen Kaffee geholt, zum Mitnehmen.
Er fährt. Klar. Entspannt kurvt er eine komplette Runde über den Parkplatz, bleibt an der Ausfahrt stehen, blinkt so gelöst und selbstsicher, dass ich platze, und biegt ab. Lässig. Glücklich. Genau am richtigen Fleck im Leben, mit genau der richtigen Person an seiner Seite.
Herzlichen Glückwunsch.
»Wuiiiiii, wuiiiiiiii«, macht Billy.
»Schatz, der ist weg«, erkläre ich ihm. »Wir gehen jetzt unseren eigenen Weg. Okay?«
Ich drück meine Fahrertür auf und kugle hinaus aufs Pflaster. »Unseren eigenen Weg.« Ich bin zu allem entschlossen. Zum Glück entschlossen. Den ersten Schritt mach ich auf den Einkaufswagenpavillon zu. Zu eilig, zu hektisch, zu atemlos. Meine Fußspitze verhakt sich in einer Pflasterritze, und gestreckter Längs haut’s mich neben den Golf. Billy im Kofferraum erschrickt zu Tode. Er ist so ein Sensibelchen, es ist furchtbar.
Ich rapple mich hoch, sehe je ein Loch in meinem Knie und sage: »Alles gut, Billy.«
Nicht jeder Schritt muss auf Anhieb glücken. Ich humple auf meinen Einkaufswagen zu, hab keinen Euro, scheiß drauf, dann nehm ich halt eine Schachtel, mal wieder. Es wird ein harter Weg, das seh ich schon. Deswegen ist er aber nicht falsch. Absolut nicht falsch. Der einzig richtige ist es.
Meine eigene Reise.
Nachdem ich alles Fiona erzählt habe, wackelt sie in der lauwarmen Molke nachdenklich mit ihren Zehen.
»Vergiss ihn«, sagt sie, und ihre Zehen nicken euphorisch: »Ja, ja, ja! Vergiss ihn!«
Ich lasse meine Zehen auch durch die Molke plätschern und höre, was Fiona noch zu sagen hat zu diesem Thema.
»Liebe kommt nicht, wenn
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