Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
Vom Netzwerk:
zurücknehmen kann. Da muss nicht jeder immer alles machen. Da muss nicht jeder immer alles kommentieren. Wenn einer mit der notwendigen Autorität eine Ansage macht, dann ist einfach auch mal Ruhe. Fertig. Punkt. Das kann unglaublich beruhigend sein, wenn es auf einer gesunden Ebene funktioniert, wenn man denjenigen, der etwas zu sagen hat, auch ehrlich und herzlich schätzt, ihm vertraut und er sich auch um das Gemeinwohl kümmert.
    Diese Überlegungen haben mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, mich politisch zu engagieren und deutlich zu machen, dass ich zum Beispiel einen Bürgermeister haben möchte, dem ich vertrauen kann. Einen Bürgermeister, der sich für die Leute einsetzt, sich um sie kümmert und nicht nur Entscheidungen trifft, bei denen man das Gefühl hat, dass er sowieso nur macht, was er will, zu seinem eigenen Vorteil oder zum Vorteil einer kleinen Clique, die ihn umgibt. Allerdings ist das kein Merkmal von Politik allein, sondern kommt in fast allen Ebenen der gesellschaftlichen Organisation vor, so etwas gibt es in der Familie, im Freundeskreis, in der Fabrik, am Arbeitsplatz und im täglichen Leben, wenn verschiedene Leute aufeinandertreffen. Da gibt es immer wieder diese Arschlöcher, die anderen das Leben schwer machen, wenn sie zu viel Macht bekommen.
    Wenn das nicht so wäre, dann hätten wir ja keine Probleme mehr auf dieser Welt. Dann gäbe es keine Kriege, keine Revolutionen, keine Aufstände und wir hätten endlich Frieden. Doch noch ist es nicht so weit.
    In Deutschland haben diese familiären Werte, dieser familiäre Zusammenhalt, trotz der gegenteiligen Beteuerungen, einen schlechten Stellenwert. Befremdlich erscheint es den meisten Deutschen, wenn man öffentlich betont, dass einem die Familie am wichtigsten ist und dann erst die Arbeit, die Karriere, das Gemeinwesen, der Staat und die Gesellschaft kommen. Zwar wird in sämtlichen Sonntagsreden gerne betont, wie wichtig die Familie ist und wie wichtig Kinder für unser Land sind, aber im Grunde ihres Herzens ist den Deutschen dieses Denken suspekt. Mehr als zwei Kinder zu haben ist mutig, mehr als drei Kinder gelten als asozial, Familienleben ist unproduktiv, das passt nicht in die freie Marktwirtschaft, in der man möglichst flexibel zu sein hat, immer erreichbar, bei Tag und bei Nacht, am Wochenende, im Urlaub. Und wenn die Firma nach Stuttgart zieht, na dann zieht man halt mit. Familie? Eher hinderlich. In so einer Welt wirken arabische Großfamilien natürlich extrem verstörend, wenn nicht sogar gefährlich und das Wort »Großfamilie« ist ja bereits negativ besetzt und wird mit organisierter Kriminalität, bandenmäßigem Sozialhilfebetrug und Überfremdung gleichgesetzt.
    Aber ist das so richtig? Fehlt den Deutschen da nicht irgendwas? Manchmal habe ich den Eindruck, die deutsche Ablehnung der fremdländischen Familientraditionen entsteht aus einer Art Neid und entspringt der Sehnsucht nach genau diesem Zusammenhalt.
    Klar sehe auch ich den Vorteil, dass jeder so individuell wie möglich sein kann, so flexibel, wie es nur eben geht, aber muss es nicht auch so etwas wie einen festen Halt im Leben eines Menschen geben? Man kann doch nicht von jedem verlangen, dass er für seine Arbeit immer und überall erreichbar ist, und so denke ich mir manchmal, den Deutschen fehlen zwei Sachen in ihrem Leben: die Familie und das Café.
    Das Café gilt als Ort des Müßiggangs und der Unproduktivität und es wird über die ausländischen Männer gelästert, die dort bei Tee, Wasserpfeife und Kartenspiel anscheinend ihre Tage vergeuden.
    In der deutschen Gesellschaft fehlen diese Orte der Geselligkeit, wo man sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit austauschen kann. Eine tägliche Begegnungsstätte, an der man über die Erziehung seiner Kinder reden kann, über Fußball, Politik oder über das, was man heute in der Zeitung gelesen hat. Vielleicht war früher einmal die Kneipe ein solcher Ort, vielleicht sind die Wirtshäuser auf dem Land noch solche Orte, aber wo gehen normale Arbeitnehmer, Angestellte, Rechtsanwälte hin, um sich auszutauschen, bevor sie dann mit einem Burn-out-Syndrom zum Psychologen rennen? Zum Psychologen, der, wenn er nicht harte Psychopharmaka verschreibt, dann ebenfalls nur mit ihnen redet, sich mit ihnen austauscht und ihnen einen anderen Blickwinkel nahelegt.
    Meiner Beobachtung nach sind die Deutschen sehr einsam und da steckt auch das ganz große Frustpotenzial drin, das dieses Land beherrscht. Die Deutschen

Weitere Kostenlose Bücher