Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
helfen würde. Die Menschen erfahren, dass Rechtsprechung und Gerechtigkeit manches Mal weit auseinanderzuliegen scheinen, weshalb sie dann nicht zur Polizei gehen wollen.
Aus diesen Gründen ist die erste Intention dieser Menschen, gewisse Dinge zunächst einmal untereinander klären zu wollen, weil sie dabei auf das nötige Verständnis hoffen und auf eine schnellere Bearbeitung und Lösung ihrer Probleme.
An dieser Stelle tut sich dann tatsächlich eine Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten auf. Auf der einen Seite diejenigen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihres Vermögens, ihrer Bildung absolutes Vertrauen in diesen Rechtsstaat haben können, auf der anderen Seite diejenigen, die Angst davor haben, abgehängt und benachteiligt zu werden, wenn sie sich an ein Gericht wenden. All jene, die sich einen ordentlichen Rechtsstreit nicht leisten können oder die aufgrund einer Behördenfurcht oder wegen Sprachproblemen den Weg vor ein ordentliches Gericht scheuen.
Allerdings stehen auch hier die Ausländer nicht unbedingt allein da und es gibt genügend Deutsche, die jene Grauzonengeschäfte gerne annehmen, die in den Cafés dann auch noch angeboten werden. Der Handwerker zum Beispiel, der ins Café kommt mit der Geschichte, dass er für einen Bauherrn gearbeitet hat, der nun angeblich pleite ist. Der Handwerker selbst hat Leistungen im Wert von 100 000 Euro erbracht. Er hat Material für 50 000 Euro gekauft, Geld, das er aus der eigenen Tasche vorgestreckt hat, er hat Leute bezahlt. Kurz bevor er die Abschlussrechnung stellen konnte, hat der Bauherr Insolvenz angemeldet, vorher hat er aber noch alles seinen Verwandten überschrieben. Der Handwerker steht mit leeren Händen da und guckt in die Röhre. Nach deutschem Insolvenzrecht ist das legal, auch wenn der Bauherr weiter im dicken Auto herumfährt und in seinem schicken Haus wohnt. Es gehört ja auf dem Papier nicht mehr ihm. Der Handwerker hat keine Chance. Und das ist kein Einzelfall. Das ist an der Tagesordnung und nach deutschem Recht kommt man damit sogar durch. Gerecht ist es aber nicht und es widerspricht auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Hier klafft eine Lücke zwischen dem Rechtsstaat und dem Rechtsempfinden der Bevölkerung und die meisten Menschen, die ich kenne, würden Maßnahmen ergreifen wollen, um wieder an ihr Geld oder wenigstens an einen Teil ihres Geldes zukommen. Diese Maßnahmen sind teilweise nicht legal und ich will das an dieser Stelle auch gar nicht beschönigen. Das ist illegal, das ist nicht nach dem Gesetzbuch, aber ich kann es verstehen. Hier wendet sich das Gesetz gegen die eigenen Staatsbürger und ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn man dann zu anderen Mitteln greift.
Wer meinen Film kennt, weiß, dass ich meine ganz eigene Erfahrung mit dieser Art von Mitteln gemacht habe. Ich hatte bei einem Plattenlabel einen Vertrag unterschrieben und selbstverständlich waren in meiner Anfangszeit nicht alle Verträge, die ich unterschrieben habe, wasserdicht oder anwaltlich geprüft. Ich war blauäugig, ich war stolz, bei einem richtigen Label unter Vertrag zu sein, ich war froh, dass ich anscheinend etwas geschafft hatte, wovon so viele andere träumen, und ich habe meinen Geschäftspartnern vertraut. Wir waren doch Freunde. Wir waren eine Familie, bis ich eines Tages feststellen musste, dass mich meine Freunde verarschen wollten. Es ging um 1000 Kassetten, die ich ihnen verkauft hatte. 1000 Tapes von meinem Untergrundalbum »King of Kings«, die ich einem der Labelbetreiber, der auch einen Mailorder und ein Ladengeschäft in Schöneberg betrieben, verkauft habe. Zumindest dachte ich das, bis ich dahinterkam, dass sie den Kaufvertrag umgeschrieben hatten und plötzlich behaupteten, ich hätte ihnen die Pressrechte an diesem Tape verkauft. Ich weiß nicht, ob ich den Vertrag falsch gelesen habe oder ob ich absichtlich hereingelegt wurde, aber auf jeden Fall war es nie meine Absicht gewesen, ihnen die Pressrechte zu überlassen. Ich wollte die Pressrechte nicht verkaufen und schon gar nicht zu einem so lächerlichen Preis. Da habe ich bemerkt, dass die mich über den Tisch ziehen wollen, und ab da wollte ich dann auch raus aus meinem Vertrag. Das Verhältnis war zerrüttet und eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Unter normalen Umständen löst man so ein Vertragsverhältnis dann auch auf, weil das Vertrauen bei so etwas wie Musik ja doch wichtig ist. Anders aber mein ehemaliges Label. Die
Weitere Kostenlose Bücher