Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
und die sich in einem gewissen Kreis bewegen, ist der Glaube auf die eine oder andere Art wichtig. Er schwebt immer über den Köpfen, der Glaube an Gott und den Propheten, und auch die Regeln und Gebote, die sich daraus ergeben, alles, was man darf und nicht darf, und alles, wozu man verpflichtet ist, wenn man sich auf diesen Glauben bezieht, spielt irgendwo eine Rolle. Auf eine gewisse Art ist dieses Bewusstsein allgegenwärtig.
Auf der anderen Seite gibt es Leute, die dich fragen, ob du mit in die Moschee kommst zum Freitagsgebet, die dann aber abends ohne Probleme zum Saufen in die Disco gehen können.
Der Koran, die Religion, der Islam gehört auf jeden Fall zum Leben dazu, er ist im Alltag präsent und bei allen möglichen Gelegenheiten wird erörtert, was nun haram , also Sünde, ist und was nicht, aber ob man ein Leben ohne haram führen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Bei mir spielte der Glaube bislang, in meinem Alltag, eher eine untergeordnete Rolle und ich fange erst jetzt an, mich etwas intensiver damit zu beschäftigen. Ich bin in diesem Punkt allerdings auch sehr locker aufgewachsen. Ich war zwar in der Koranschule, aber das war bei uns nicht unbedingt bindend, und keiner hat darauf bestanden, dass wir auch wirklich immer hingehen. Im Unterschied dazu gibt es sehr viele Familien, in denen das einfach dazugehört. Da werden die Kinder vom frühesten Alter an dazu angehalten, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen, was natürlich auch seine Vorteile hat, weil man dann die Zusammenhänge besser versteht und der Glaube so auf eine ganz natürliche Art und Weise zum Alltagsleben dazugehört. Insofern ist das Thema Religion unter Migranten muslimischer Herkunft tatsächlich präsenter als beim durchschnittlichen Deutschen, allerdings kann ich einen Zusammenhang zwischen dieser Alltagsreligiosität und einem schlechteren Sozialverhalten nicht erkennen. Ich kenne niemanden – und da spreche ich jetzt von normalen Verbrechern und nicht von religiös motivierten Straftätern –, der Scheiße gebaut hat, der Verbrechen begangen hat, der auf die schiefe Bahn geraten ist, sich nicht integriert oder keinen Bock auf nichts hat, weil er ein Moslem ist. Bei keinem meiner Freunde hat die Entscheidung, ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Normen zu führen, auch nur das Geringste mit dem Glauben zu tun. Sie sind nur zufälligerweise auch Moslems. Aber das ist so mit den Statistiken. Wenn ich zum Beispiel sage, dass es in Frankfurt viele reiche Juden gibt, dann ist das eine Tatsache. Aber was folgt daraus? Dass die reichen Juden die Banken kontrollieren? Dass alle Juden reich sind? Dass alle Juden in Frankfurt wohnen, weil dort das Geld sitzt? Nein! Was folgt aus der Feststellung, dass die meisten Verbrechen in Berlin-Neukölln von Migranten mit muslimischem Glauben verübt werden – eine Behauptung, von der ich nicht mal weiß, ob sie tatsächlich stimmt. Was folgt daraus? Dass alle Verbrecher Moslems sind? Dass Muslime generell zum Verbrechen neigen? Dass alle Muslime deshalb nach Neukölln gezogen sind, weil sie dort ungestört ihre Verbrechen verüben können? Was folgt aus solchen Behauptungen?
Ich habe den Eindruck, dass der Glaube gerne in dieser Diskussion benutzt wird, weil das eine sehr vage Erklärung für alles ist. Wenn man keine konkreten Argumente mehr hat und andere Erklärungen wie soziale Schichtung, Armut und unser kapitalistisches Wirtschaftssystem nicht hören will, kommt der Glaube ins Spiel, auf den man alles abwälzen kann. Ein Thema, das man wie Kaugummi ziehen kann und das sich für alle möglichen Diskussionsfelder eignet.
Zuletzt habe ich eine Diskussion bei Menschen bei Maischberger verfolgt, die unter dem Titel »Die Salafisten kommen: Gehört dieser Islam zu Deutschland?« stand, sich aber in weiten Teilen um die Rolle der Frau im Islam gedreht hat.
Da war Imam Scheich Hassan Dabbagh von den Salafisten und ich fand seine Redebeiträge gar nicht so falsch, allerdings haben ihm, wenn es darauf ankam, so ein bisschen die Klarheit und Deutlichkeit gefehlt. Das war dann in einigen Punkten schlicht indiskutabel. Dann war Kristiane Backer da, die ehemalige MTV-Moderatorin, die zum Islam konvertiert ist und die natürlich den Islam verteidigt hat. Dann war Renan Demirkan, eine Türkin, dabei, die den Salafismus grundsätzlich verurteilt hat und die Rolle der Frau im Islam sehr kritisch gesehen hat. Auf der anderen Seite waren mit Wolfgang Bosbach von der CDU und
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