Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Tatsache, dass eines meiner Kinder homosexuell wäre, erst einmal richtig scheiße. Ich kenne Leute, und das sind nicht nur Araber oder sogenannte nicht integrierte Ausländer, sondern auch Deutsche, die sagen: »Wenn mein Sohn schwul wird, dann habe ich keinen Sohn mehr.« Das ist schwachsinnig und total bescheuert, aber ehrlich gesagt, wüsste ich nicht, wie ich mit einer solchen Herausforderung umgehen würde. Zuerst einmal würde ich mir die Frage stellen, was ich falsch gemacht habe. Ich weiß ja nicht, warum jemand schwul oder lesbisch wird, und ich weiß nicht, ob man gewisse Dinge machen kann, wenn die Kinder heranwachsen, die es fördern, dass sie schwul werden oder eben nicht. Ich weiß nicht, ob man das aktiv steuern kann, Fakt ist allerdings, Homosexualität existiert und sie existiert auch in Gesellschaften, in denen das Ausleben von Homosexualität unter schwerster Strafe steht oder sogar lebensgefährlich ist. Das bedeutet für mich im Rückschluss wiederum, dass sich wahrscheinlich kein Mensch aktiv aussucht, ob er homosexuell wird oder nicht.
Insofern kann man es wohl auch wenig beeinflussen und es ist dumm zu behaupten, unsere Gesellschaft würde aktiv Homosexualität befördern und durch Bilder, Videos und Kunst die Jugendlichen mit Absicht schwul werden lassen. Das glaube ich nicht und ich denke ebenfalls nicht, dass auch nur ein Jugendlicher schwul geworden ist, weil Berlin einen schwulen Bürgermeister hat.
Auf der anderen Seite gibt es aber Menschen, in deren Kulturkreis Homosexualität eine der größten Sünden darstellt. Persönlich habe ich gar kein Problem damit, Dinge zu tolerieren, die ich für mich selbst nicht gut finde, und gerade wenn es um meine Kinder geht, würde ich mich nach einigen Anfangsschwierigkeiten sicher damit abfinden können. Ist man aber gläubig, und im Islam spielt das eine große Rolle, kann ein Vater allein vom Glauben her gar nicht akzeptieren, dass sein Sohn schwul ist. Im christlichen Glauben ist Homosexualität ja eigentlich genauso verboten wie im Islam und unter Hardcore-Christen in Bayern oder in Amerika oder bei den Rastafarians auf Jamaika ist es auch kein Spaß, schwul zu sein. Wenn man jetzt aber ein ganz chilliger, gemäßigter Christ aus Berlin-Prenzlauer Berg ist, dann würde man sein homosexuelles Kind nicht aufgrund seines Glaubens verurteilen. In einer islamischen Familie würde das aber auf jeden Fall passieren, egal, wie moderat man sich selbst als Muslim sieht. Das mag damit zusammenhängen, dass in der westeuropäischen Gesellschaft und besonders der deutschen Gesellschaft der Glaube und die Religion eher etwas sind, womit man sich schmückt und was man nicht richtig ernst zu nehmen braucht, für einen gläubigen Muslim stellt dieses Thema aber eine echte Herausforderung dar. Selbst wenn man als Mensch sagt, dass man Homosexualität akzeptieren kann, hat man immer noch das Problem, dass in der Bibel, im Koran und in der Thora etwas anderes steht. Wie will man aber gegen das Geschriebene argumentieren, wenn einem der Koran etwas bedeutet, wenn man die heiligen Schriften ernst nimmt? Diesen Mut hat niemand. Da steht: »Das ist Sünde«, und dann ist es auch Sünde. Das Paradoxe ist dann allerdings, wenn die Leute anfangen, die Sünden zu unterteilen in gute Sünden und schlechte Sünden. Auf der einen Seite huren sie nämlich herum, kaufen sich Currywurst bei »Curry 36« und saufen Wodka Red Bull. Sie lassen sich tätowieren und all die anderen Sachen, die ebenfalls verboten sind, aber wenn die Schwester einen Jungen trifft, ist das haram , was so viel wie Sünde bedeutet, und wenn du schwul bist, dann ist das auch haram und du kommst in die Hölle. Das ist eine unfassbare Doppelmoral und ärgert mich jedes Mal, wenn ich das mitansehen oder mitanhören muss.
Eine Religion ist ein großes Regelwerk ähnlich wie die Gesetze, die wir in der Bundesrepublik haben. Zwar sind die Regeln der Religionen schon sehr alt, aber trotzdem sind es Regeln, auf die man sich verständigt hat oder, wenn man die Schriften ernst nimmt, die direkt von Gott stammen. Das kann man belächeln und rückständig finden, ist aber für Milliarden Menschen auf dieser Welt wichtig.
Abgesehen davon, sollte man nicht außer Acht lassen, dass selbst in der fortschrittlichen Bundesrepublik Deutschland der Paragraf 175 erst im Jahr 1994 abgeschafft wurde. Bis dahin stand Homosexualität in Deutschland unter Strafe, auch wenn der Paragraf zuletzt nicht mehr angewendet wurde,
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