Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
ermitteln.«
S ie schob ihren Teller weg. Riss nur noch kleine Stücke von ihrer warmen Brezel ab. Wie sie es vorausgesehen hatte, sträubte sich Jonas gegen diese Gedanken.
» Das kann ich mir nicht vorstellen. Ihre Familie kommt schon sowieso nicht in Frage. Ihre Brüder leben doch ganz woanders. Thomas sogar in Iowa. Und auch wenn wir Marc, seine Familie und ihre gemeinsamen Freunde nicht persönlich kennen, Joanne war einfach zu freundlich und offen zu den Menschen um Feinde zu haben.«
» Aber sie war auch ein Dickkopf. Handelte oft ohne nachzudenken. Impulsiv, egal wie etwas ausging. Ein Widder-Temperament. Wie meine Mutter.«
Er lachte jetzt in der Erinnerung an seine Großmutter. »Dann konnte sie wirklich heftig streiten.«
Seine Miene wurde jedoch gleich wieder ernst.
» Aber das ist doch kein Grund, jemanden umzubringen! Und Marc gleich mit. Das muss doch etwas sehr Gravierendes sein, um jemanden zu so einer Tat zu bringen.«
Das ist das Schlimmste, dachte Lene. Dieses Einmischen in das intime Leben der Opfer eines Verbrechens. Motive suchen hieß auch, dem anderen, der sowieso schon hatte leiden müssen, im Nachhinein noch ein Verhalten zu unterstellen, das zu so einer Tat führen konnte. Da muss doch etwas sein als Ausgangsgedanke für ein Motiv. Ungerecht und doch notwendig, um den Kreis der Verdächtigen abzuklären, um sich in deren Gedankengänge einloggen zu können.
» Wir werden sehen. Vielleicht finden wir ja jemanden oder etwas in Marcs Umfeld. Müssen wir nicht langsam los? Sophie müsste bald landen.«
» Ich muss dir noch etwas sagen. Für Sophie ist es sowieso besonders schlimm. Aber dazu kommt noch, dass sie vorgestern mit Eric Schluss gemacht hat. Der Mistkerl hat sie nun auch noch betrogen! Seit zwei Monaten hat er eine nebenbei Beziehung. Nun sieht sie ihn endlich so wie wir ihn schon lange sehen. Aber trotzdem – es ist hart für sie. Sie wollte es dir erst sagen, wenn ihr euch seht.«
Er winkte der Kellnerin.
Drauß en war es jetzt ungemütlich frisch. Zu kühl für die Jahreszeit, dachte sie. Wie es wohl in Kalifornien wird?
» Ich muss vor dem Packen noch den Online-Wetterdienst aufrufen, um auf die Temperaturen dort eingestellt zu sein«, sagte sie.
» Habe ich schon gemacht, als ich eure Flugtickets umgebucht habe. Es sind so um sechzehn Grad Celsius. Nicht sehr viel für das sonnige Kalifornien. Aber hier ist es heute auch richtig kalt.«
Kä lte. Plötzlich hatte sie das Bild von Joanne und Marc vor Augen, in der Rechtsmedizin in Kühlboxen verstaut. Ihr Herz jagte, so schrecklich war die Vorstellung. Bisher hatte sie bewusst nicht an die tote Joanne und den toten Marc in der Leichenhalle gedacht. Sie wusste, was es hieß, dass man Joanne in den Kopf geschossen hatte.
» Wieso hat man Joanne bloß in den Kopf geschossen? Das muss ja zusätzlich grausam für Sam und Will sein«, griff Jonas genau im gleichen Moment ihren Gedanken auf. Lene zog ihre Jacke enger zusammen. Sie schaute auf die Pflastersteine hinunter.
» Brutal, finde ich auch. Ich hoffe, wir werden mehr wissen, wenn ich dort mit der Polizei gesprochen habe. Es wirkt alles seltsam. Und am eigenartigsten ist das schnelle Abschließen der Untersuchung. Wichtig ist erst einmal, dass sie die wieder aufnehmen. Das ist schon schwierig genug sie davon zu überzeugen. Nur auf Grund unserer Einschätzung von Marc, den wir nicht einmal persönlich kennen. Sehr vage.«
Sie brachen auf. Zeit fü r den Flughafen und Sophie.
Sie sahen sie gleich. Lene schloss sie in die Arme, nahm ihr blasses, verweintes Gesicht wahr und war voller Mitgefühl. Weich und Nähe suchend der Körper ihrer Tochter. Jonas gab ihr einen Kuss und griff nach ihrem Koffer. »Komm, Sophie, jetzt bist du ja bei uns.«
Kurze Zeit sp äter bogen sie nach Erlenstegen ab, dann in die kurze Straße und hielten vor ihrem Haus. Mit der blauen Eingangstür hatte sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt und sie freute sich jedes Mal daran, wenn sie die Tür aufschloss. So unscheinbar das Haus aus den 50er Jahren sonst von außen war, so war es doch für sie zu ihrer Heimat geworden nach dem schmerzhaften Schritt ins Alleinsein durch die Trennung von Johannes.
» Habt ihr schon mit eurem Vater gesprochen? Was sagt er?«
» Er ist auch entsetzt. Er hat mir gleich das Geld für das Ticket hierher überwiesen – lieb und fürsorglich wie immer«, sagte Sophie.
Und das stimmte. Egal, welches der beiden Kinder in Problemen s teckte, versuchte er
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