Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
Vom Netzwerk:
drei Zuschauer.
    Er konnte sich an den Überfall jetzt wieder genau erinnern. Ein Juwelierladen, den sie kurz vor Ladenschluss überfallen hatten. Sie waren maskiert, trugen Handschuhe und hatten Pistolenattrappen. Sonst hatten sie immer Klebeband zum Fesseln benutzt. Doch diesmal hatte jemand Handschellen besorgt. Damit fixierten sie die Angestellten an den Heizkörpern. Er wusste noch, dass er mit diesen blöden Handschellen nicht wirklich zurechtgekommen war. Als er eine der Angestellten endlich an die Heizung gefesselt hatte, stellte er fest, dass sein Handschuh in der Handschelle eingeklemmt war. Entnervt riss er sich los, wobei ein Stück davon an der Handschelle hängen blieb. Darauf mussten sie |102| seine genetischen Spuren entdeckt haben. Sein Verteidiger hatte ihm gesagt, dass nach dem eingeholten Gutachten die am Tatort gefundene Spur mit einer Wahrscheinlichkeit von 12   Millionen zu 1 von ihm stammte. Hinsichtlich eines Freispruches machte der Verteidiger ihm wenig Hoffnung und meinte, dass er im schlimmsten Fall eine Strafe von über sechs Jahren zu erwarten habe.
    Nach Schluss des Verhandlungstages führten ihn die Gerichtswachtmeister wieder über den Hof zu dem Transporter. Die beiden waren kaum größer als er und unterhielten sich. Sie hatten ihn bisher vier Mal bei dem Transport zum Gericht oder zurück zum Gefängnis bewacht. Er hatte sich immer folgsam verhalten und hoffte, dass sich eine gewisse Routine bei ihnen eingeschlichen hatte und so die Aufmerksamkeit minderte.
    Rechter Hand befand sich im Hof des Gerichts ein nur brusthoher Zaun. Da konnte er trotz Handschellen schnell rüberkommen. Dahinter lagen ungefähr zwanzig Meter Rasen, gefolgt von einem zwei Meter hohen Zaun, der oben weder durch einen Stacheldraht noch ähnliche Vorkehrungen abgesichert war. Dann kam auch schon eine stark befahrene öffentliche Straße. Die Frage war, ob er es schnell genug über den hinteren Zaun schaffen konnte, oder ob ihn die Handschellen zu sehr behindern würden. Zweifellos war es die Chance, auf die er gewartet hatte. Beim nächsten Hauptverhandlungstermin würde er es probieren.

|103|
Bundesliga und merkwürdige Verwicklungen
    E nde April wurde dann auch in unserem Café Jura über den sogenannten Schiedsrichterskandal diskutiert. Schon im Eingangsbereich zum Hauptportal hatte man Probleme, sich durch die Menschenmengen zu drängen, wenn wieder eine Pressekonferenz mit dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Berlin anstand. Er hatte in diesen Tagen und Wochen viel zu tun. Ein ehemaliger Bundesligaschiedsrichter war in Untersuchungshaft genommen worden, weil er Fußballspiele so gepfiffen haben sollte, dass seine Komplizen hohe Wettprämien kassieren konnten. Der Verdacht weitete sich auf andere Schiedsrichter aus und erschütterte die gesamte Fußballnation.
    Der Fall wurde einer Staatsanwältin aus dem Bereich der organisierten Kriminalität zugeteilt. Sie war eine sehr erfolgreiche und hartnäckige Ermittlerin (oft brannte spätabends noch Licht in ihrem Büro). Entsprechend hoch war ihr Ansehen innerhalb der Staatsanwaltschaft. Selbst ich als Neuling hatte schon von ihr gehört. Später erlebte ich eine Hauptverhandlung mit ihr, die mir in Erinnerung blieb, weil der Angeklagte sich plötzlich völlig unmotiviert und laut beschwerte, dass sie immer nur an seine Laptops (für die er wegen Hehlerei angeklagt war) denken würde. Es war das einzige Mal in dem Jahr bei der Staatsanwaltschaft, dass ich mitbekam, wie sich ein Angeklagter darüber beschwerte, |104| dass die Staatsanwaltschaft zu genau und streng ermittelte.
    Sie gehörte also zu den besten Staatsanwälten Berlins. Aber sie war auch eine Frau! Konnte das gutgehen, wenn es um einen Skandal dieses Ausmaßes im Männerfußball ging? Darum drehte sich die Diskussion in unserer Kaffeerunde. Zusätzliches Öl aufs Feuer goss die Staatsanwältin selbst, als sie in einem Interview wohl versehentlich einmal von »Bayern Münchengladbach« sprach. Jörg und ich meinten, dass ein Mann für diesen Fall erforderlich sei. Zumindest sollte ihr ein männlicher Berater zur Seite gestellt werden. Wir verwiesen in diesem Zusammenhang auf unser Fachwissen, das wir durch jahrelanges Studium der Sportschau angehäuft hatten.
    Jens war es egal. Mona und Maja waren klar für die Staatsanwältin. Mona sagte, dass wir allenfalls »gefährliches Halbwissen« hätten. Außerdem sei es gar nicht so schlecht, wenn die ermittelnde Staatsanwältin sich bei diesem

Weitere Kostenlose Bücher