Auf Couchtour
Alina möchte die Anerkennung, die ich bekomme. Sie will nicht die Beste sein, sie will besser sein als ich!
Mein bisher in beruflicher Hinsicht makelloses Engel-Image weist indes erste Risse auf. Ich musste sogar schon zu diversen Anschuldigungen Stellung nehmen! Wer würde da nicht anfangen, über Gegen-Gemeinheiten nachzusinnen. Und genau das ist es, was mich unzufrieden macht. Ich denke nach Feierabend darüber nach, wie ich Alina und ihrer Lästerschwester eins auswischen kann. Diese Gedanken verfolgen mich andauernd. Es macht mich rasend. Ich fühle mich durch meine eigene Gehässigkeit blockiert und unfähig, Gutes zu tun, weil ich damit beschäftigt bin, böse zu sein. Verrückt, oder? Mich so zu entwickeln, ist ein Rückschritt. Wenn sich diese Züge erst einmal in meinem Charakter manifestieren, ist das ein Problem. Ich bin kein hilfloses Opfer, ich kann mich wehren, aber es ist so anstrengend. In diesem Fall verzichte ich darauf, die Klügere zu sein und nachzugeben – dafür ist die Angelegenheit zu weit fortgeschritten. Ich möchte erhobenen Hauptes gehen, bevor mein Ansehen und mein Wesen ernsthaft Schaden erleiden. Die Uhr tickt. Es ist fünf vor zwölf, aber eben noch nicht Mittag.
Unzufriedenheitsphase drei ist die Phase, in der einem alles egal ist. Man will nur noch weg, raus, alles hinter sich lassen. Das Maß ist voll – endgültig. Man handelt, ohne über Konsequenzen nachzudenken. Was wird? Wie geht es weiter? Das spielt absolut keine Rolle mehr. Man platzt einfach. Man geht morgens zur Arbeit und kündigt, ohne einen neuen Job zu haben. Man beendet eine Beziehung, geht auf Pilgertour oder wandert in ein Land aus, in dem die Spinnen so groß wie Hamster sind. Was auch immer. Ein anderer Lebensabschnitt beginnt. Die alte Hülle fällt – ein neuer Mensch kommt zum Vorschein. Der muss nicht zwangsläufig besser sein als der alte. Veränderungen gibt es nun mal in alle Richtungen. Das ganze Leben ist eine Folge von Entscheidungen. Es beginnt mit dem Klingeln des Weckers: Stehe ich auf oder bleibe ich liegen, will ich lieber Tee oder Kaffee zum Frühstück, ziehe ich heute Rock oder Hose an? Wir sind routiniert darin. Das sind Lappalien für uns. Wir denken nicht darüber nach. Dabei gibt es keine unwichtigen Entscheidungen. Wäre Christoph Columbus zum Beispiel am 3. August 1492 im Bett geblieben, wüsste niemand, dass es ihn überhaupt gab. Hätte Marilyn Monroe eine Jeans getragen, als sie den Luftschacht in Das verflixte 7. Jahr überquerte, würde sich kein Mensch an diese Szene erinnern. Warum tun wir uns so schwer, wenn wir uns bewusst entscheiden müssen? Das ist das Übel von Phase zwei. In Phase drei existiert diese Befangenheit nicht, jedenfalls nicht an erster Stelle. Hier herrscht Chaos, verdrehte Welt. Wir entscheiden spontan und werden uns erst später über die Auswirkungen klar.
Als ich mit meinem Ex Jürgen Schluss gemacht habe, besser gesagt mit seinem Rücken, gestaltete sich das für mich zu einem regelrechten Kopfsprung in Phase drei. Er war gerade dabei, sich mit einer »guten Freundin« auf einen Spaziergang zu verabreden. Dass ich während des Telefonats hinter ihm stand und seine Hosen bügelte, war ihm einerlei. Er war dazu berufen, sich um das weibliche Geschlecht zu kümmern – und das meine ich wörtlich! Dieser Mann machte während unserer Beziehung fraglos viele Frauen glücklich – mich ausgenommen. Von einem schönen Teller wollen eben alle essen – mir ist der Appetit nach neun Monaten vergangen. Wir sind damals Hals über Kopf zusammengezogen. Er hatte nur das Hemd, das er trug, ich den Rest. Ich bezahlte, er sah hinreißend aus. Was mit einem Paukenschlag anfängt, endet meist auch mit einem lauten Knall, der selbst mir, blind und taub vor Liebe, Augen und Ohren öffnete.
Er legte das Telefon beiseite. Es zischte. Dampf stieg auf. Mein Daumen hielt den Knopf des Bügeleisens gedrückt, als wäre es der Zünder für ein Dynamitpaket unter Jürgens Schlappen. »Fahr zur Hölle!«, grollte es aus dem Nebel. Meine Stimme klang beharrlich und stark – bis er sich umdrehte. Dann wurde es erbärmlich. Ich weinte und wand mich in meinem Schmerz, blieb aber auf Trennungskurs. Okay, ich will ehrlich sein, es gab zwischendurch eine Flaute. Ich habe ihm mindestens tausend Möglichkeiten der Reue offenbart, ihm quasi vorformuliert, wie er mich hätte überzeugen können, mit ihm zusammenzubleiben. Er hat keine dieser Chancen genutzt, sondern sich mehr und mehr in
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