Auf dem Jakobsweg
den stummgeschalteten Fernseher. Die Geschichte in den Kohlebergwerken war zu einer Folge von Bildern von Männern und Frauen geworden, die ständig redeten, stritten, sich unterhielten. Hin und wieder küßte ein Schauspieler eine Schauspielerin.
»Noch etwas«, sagte Petrus. »Es könnte sein, daß du den Hund wieder triffst. Versuch in diesem Falle nicht, die Gabe der Sprachen in dir zu wecken, weil sie nicht wiederkehren wird. Vertraue auf das, was deine Intuition dir sagen wird. Ich werde dir eine weitere Praktik der R.A.M. beibringen, die diese Intuition in dir weckt. Du wirst dadurch beginnen, die geheime Sprache deines Geistes verstehen zu lernen, und sie wird dir in deinem Leben jederzeit sehr nützlich sein.«
Petrus schaltete den Fernseher just in dem Augenblick aus, als ich anfing, mich für die Handlung zu interessieren. Dann ging er an die Bar und bestellte eine Flasche Mineralwasser. Wir tranken beide etwas davon, und dann nahm er die Flasche mit nach draußen.
Wir setzten uns und schwiegen. Die Stille der Nacht umfing uns, und die Milchstraße am Himmel erinnerte mich an mein Ziel: mein Schwert zu finden.
Nach einer Weile lehrte mich Petrus das Exerzitium des Wassers.
»Ich bin müde und werde jetzt schlafen gehen«, sagte er. »Aber mach du jetzt diese Übung. Erwecke deine Intuition, deine geheime Seite. Laß die Logik aus dem Spiel, denn das Wasser ist ein flüssiges Element und läßt sich nicht so einfach beherrschen. Doch es wird ganz allmählich, gewaltlos, eine neue Beziehung zwischen dir und dem Universum aufbauen.« Und er schloß, bevor er ins Hotel trat: »Man hat nicht immer einen Hund, der einem hilft.«
Ich genoß die Kühle und die Stille der Nacht. Das Hotel lag weitab von der nächsten Stadt, und niemand fuhr die Straße entlang, an der ich saß. Ich dachte an den Besitzer, der Ipanema kannte und dem es absurd vorkommen mußte, daß ich mich an diesem kargen Ort aufhielt, auf den die Sonne jeden Tag wieder mit derselben Heftigkeit niederbrannte. Ich wurde allmächlich müde und beschloß, die Übung gleich zu machen. Ich schüttete den Rest des Wassers auf den Betonboden. Sofort bildete sich eine Pfütze. Sie hatte weder eine bestimmte Form, noch stellte sie irgend etwas dar, aber darum ging es mir auch nicht. Meine Finger begannen durch das kalte Wasser zu fahren, und ich gelangte allmählich in den hypnotischen Zustand, der einen überkommt, wenn man ins Feuer blickt. Ich dachte an nichts, spielte nur mit dem Wasser einer Pfütze. Ich machte am Rand ein paar Striche, und die Pfütze schien sich in eine nasse Sonne zu verwandeln, doch die Striche verliefen schnell wieder ineinander. Dann schlug ich mit der Handfläche mitten in die Pfütze. Das Wasser spritzte und über
DAS EXERZITIUM DES ERWECKENS DER INTUITION (Das Exerzitium des Wassers)
Mache auf einer glatten, wasserundurchlässigen Oberfläche eine Pfütze. Sieh diese Pfütze eine Zeitlang an. Dann beginne, absichts- und ziellos, mit dieser Wasserpfütze zu spielen. Male etwas vollkommen Sinnloses mit dem Wasser. Mache diese Übung eine Woche lang jeweils mindestens zehn Minuten. Suche in dieser Übung nicht nach praktischen Ergebnissen. Sie wird ganz allmählich deine Intuition wecken. Vertrau ihr immer, auch wenn sie beginnt, sich auch zu anderen Tageszeiten zu manifestieren.
zog den Betonboden mit Tropfen, schwarzen Sternen auf grauem Grund. Ich war ganz in diese kindische Übung versunken, die kein Ziel verfolgte, sondern einfach nur Spaß machte. Ich fühlte, daß mein Geist fast vollkommen ausgeschaltet war. Das erreichte ich sonst nur nach langen Meditationen und in tiefer Entspannung. Gleichzeitig sagte mir etwas, daß tief in mir, in den verborgenen Bereichen meines Geistes, eine Kraft Gestalt annahm und sich anschickte, sich zu manifestieren.
Ich spielte lange mit der Pfütze, und es fiel mir schwer, mit der Übung aufzuhören. Hätte mir Petrus die Übung mit dem Wasser am Anfang der Reise beigebracht, hätte ich sie bestimmt für eine Zeitvergeudung gehalten. Doch jetzt, nachdem ich in fremden Zungen geredet und Dämonen ausgetrieben hatte, stellte diese Wasserpfütze einen ersten zaghaften Kontakt zur Milchstraße über mir her. Sie spiegelte deren Sterne wider, schuf Zeichnungen, die ich nicht entschlüsseln konnte, und verschaffte mir das Gefühl, gleichsam einen neuen Code der Kommunikation mit der Welt zu schaffen. Den geheimen Code der Seele, der Sprache, die wir zwar verstehen, aber nur selten hören.
Es
Weitere Kostenlose Bücher