Auf dem Jakobsweg
im Hintergrund und einem weiten Blick über das Tal, und ich fragte mich, was die Menschen wohl dazu bewogen hatte, einen solchen Ort zu verlassen.
»Glaubst du, daß Don Suero de Quinones verrückt war?« fragte Petrus unvermittelt.
Ich wußte schon nicht mehr, wer dieser Don Suero war, und Petrus mußte mich an den Paso Honroso erinnern.
»Vermutlich nicht«, antwortete ich. Doch ich war mir meiner Antwort nicht ganz sicher.
»Er war aber verrückt, genauso wie Alfonso, der Mönch, den du kennengelernt hast. So wie auch ich, und meine Verrücktheit wird in den Zeichnungen offenbar, die ich mache. Oder wie du, der du dein Schwert suchst. In uns allen brennt die heilige Flamme der Verrücktheit, die von Agape genährt wird. Man muß deswegen nicht gleich Amerika entdecken oder mit den Vögeln sprechen wollen wie der heilige Franziskus von Assisi. Ein Gemüsehändler an einer Ecke kann diese heilige Flamme der Verrücktheit haben, wenn er das, was er tut, liebt. Agape ist in allem, was Menschen tun, und sie ist ansteckend, weil die Welt nach ihr dürstet.«
Zwar hatte Petrus mir gesagt, wie ich über das Ritual der blauen Kugel Agape erzeugen konnte, aber wenn diese voll erblühen sollte, durfte ich keine Angst haben, mein Leben zu verändern. Wenn ich das, was ich tat, gern tat, war alles in Ordnung. Andernfalls sei es nie zu spät, um etwas zu verändern. Indem ich eine Veränderung zuließe, würde ich selbst zu einem fruchtbaren Feld, auf dem die schöpferische Phantasie keimen könne.
»Alles, was ich dich gelehrt habe, macht nur Sinn, wenn du mit dir selber zufrieden bist. Andernfalls wecken die Exerzitien, die ich dich gelehrt habe, in dir unausweichlich den Wunsch nach Veränderung. Und damit all die gelernten Exerzitien sich nicht gegen dich wenden, mußt du zulassen, daß eine Veränderung geschieht.
Dies ist der schwierigste Augenblick im Leben eines Menschen: wenn er den guten Kampf erkennt und sich außerstande fühlt, sein Leben zu verändern und zu kämpfen. Denn dann wendet sich das Wissen gegen den, der es besitzt.«
Ich blickte auf Foncebadon. Vielleicht hatten ja alle Bewohner gemeinsam diese Notwendigkeit einer Veränderung gespürt. Ich fragte Petrus, ob er dieses Szenarium extra ausgewählt habe, um mir dies zu sagen.
»Ich weiß nicht, was hier geschehen ist«, antwortete er. »Häufig sind Menschen gezwungen, eine schicksalhafte Veränderung anzunehmen. Doch das meine ich nicht. Ich meine einen Willensakt, den konkreten Wunsch, gegen alles zu kämpfen, was uns in unserem Alltag unzufrieden sein läßt.
Wir stoßen auf unserem Lebensweg immer wieder auf Probleme, die schwierig zu bewältigen sind. Wie beispielsweise durch das Wasser eines Wasserfalls zu gehen, ohne abzustürzen. In solchen Fällen mußt du die schöpferische Phantasie wirken lassen. Bei dir ging es um eine Herausforderung auf Leben und Tod, und du hattest wenig Zeit, um dich zu entscheiden: Agape hat dir den einzigen Weg gewiesen.
Doch es gibt in diesem Leben Probleme, bei denen wir zwischen zwei Wegen wählen müssen. Alltägliche Probleme wie ein ministerieller Beschluß, das Zerbrechen einer Beziehung, ein gesellschaftliches Treffen. Jede einzelne kleine Entscheidung, die wir in unserem Leben treffen, kann eine Entscheidung zwischen Leben und Tod sein. Wenn du morgens das Haus verläßt, um zur Arbeit zu gehen, kannst du zwischen einem Transportmittel wählen, das dich heil an der Tür deiner Arbeitsstätte absetzt, und einem anderen, das in einen Unfall verwickelt wird und seine Insassen tötet. Dies ist ein krasses Beispiel dafür, welche Konsequenzen eine einfache Entscheidung für den Rest eines Menschenlebens haben kann.«
Während Petrus sprach, dachte ich über mich selbst nach. Es war meine Wahl gewesen, auf der Suche nach meinem Schwert den Jakobsweg zu gehen. Und das Schwert war jetzt das Wichtigste für mich, ich mußte es irgendwie finden. Ich mußte die richtige Entscheidung treffen.
»Wenn man die richtige Entscheidung treffen will, muß man wissen, welches die falsche Entscheidung ist«, sagte er, als ich ihm meine Sorgen mitteilte. »Und den anderen Weg furchtlos, und ohne zu zögern, überprüfen und sich dann entscheiden.« Und dann lehrte mich Petrus das Exerzitium der Schatten . »Dein Problem ist dein Schwert«, sagte er, nachdem er mir erklärt hatte, wie dieses Exerzitium durchzuführen war. Ich mußte ihm recht geben.
»Am besten machst du das Exerzitium gleich jetzt. Ich gehe solange spazieren. Wenn
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