Auf dem Jakobsweg
ich zurückkomme, wirst du die richtige Lösung gefunden haben.«
Ich dachte über Petrus' Eile während der vergangenen Tage und dieses Gespräch in der verlassenen Stadt nach. Es schien so, als wollte er Zeit gewinnen, um auch irgend etwas zu entscheiden. Das munterte mich auf, und ich begann mit dem Exerzitium.
Ich machte zuerst kurz die Übung Atem der R.A.M., um mich mit der Umgebung in Einklang zu bringen. Dann stellte ich auf meiner Uhr fünfzehn Minuten ein und begann die Schatten um mich herum zu betrachten - die Schatten der verfallenen Häuser, Steine, Holzstücke und des alten Kreuzes hinter mir. Während ich die Schatten betrachtete, wurde mir deutlich, wie schwer es war, den Gegenstand zu sehen, der den Schatten warf. Darauf war ich noch nie gekommen. Einige gerade Balken verwandelten sich in winklige Gegenstände, ein unregelmäßig geformter Stein wurde als Schatten rund. Das machte ich während der ersten zehn Minuten. Es fiel mir nicht schwer, mich zu konzentrieren, denn die Übung war faszinierend. Dann begann ich über die falschen Lösungen zur Auffindung meines Schwertes nachzudenken. Unzählige Gedanken gingen mir durch den Kopf - angefangen damit, den Bus nach Santiago zu nehmen, meine Frau anzurufen und sie mit psychologischem Druck dazu zu bringen, mir den Ort zu verraten, wo sie das Schwert versteckt hatte.
Als Petrus wiederkam, lächelte er.
»Nun?« fragte er.
»Ich habe herausbekommen, wie Agatha Christie ihre Kriminalromane schreibt«, scherzte ich. »Sie macht die falsche Hypothese zur richtigen. Sie muß das Exerzitium der Schatten gekannt haben.«
Petrus fragte mich, wo denn nun mein Schwert sei.
»Ich werde dir zuerst die Hypothese sagen, die ich aus den Schatten als die herausgearbeitet habe, die am wenigsten in Frage kommt: Das Schwert liegt außerhalb des Jakobsweges.« »Du bist ein Genie. Du hast herausgefunden, daß wir schon lange auf der Suche nach deinem Schwert gewandert sind. Ich dachte, das hätte man dir bereits in Brasilien gesagt.« »Und es ist an einem sicheren Platz verwahrt«, fuhr ich fort, »zu dem meine Frau keinen Zutritt hat. Ich habe daraus gefolgert, daß es an einem vollkommen offenen Platz liegt. Doch es hat sich so sehr in seine Umgebung eingefügt, daß man es nicht sieht.«
Diesmal lachte Petrus nicht. Ich fuhr fort:
»Und da es vollkommen unwahrscheinlich ist, daß es sich an einem Ort befindet, der voller Leute ist, befindet es sich an einem fast verlassenen Ort. Zudem wird es sich, damit die wenigen Leute, die mein Schwert sehen, es nicht von einem anderen, typisch spanischen Schwert unterscheiden können, an einem Ort befinden, an dem niemand zwischen Stilen unterscheiden kann.«
»Glaubst du, daß es hier ist?« fragte er.
»Nein, hier ist es nicht. Es wäre vollkommen verkehrt, DAS EXERZITIUM DER SCHATTEN
Entspanne dich.
Schaue fünf Minuten lang alle Schatten, die Gegenstände oder Personen um dich herum werfen, genau an. Versuche herauszubekommen, welcher Teil eines Gegenstandes oder eines menschlichen Körpers den Schatten wirft.
In den nächsten fünf Minuten konzentrierst du dich außerdem auf das Problem, das du lösen willst, und suche nach allen möglichen falschen Lösungen.
Schließlich schaue noch weitere fünf Minuten auf die Schatten und denke darüber nach, welches die richtigen Möglichkeiten sein könnten. Verwirf sie eine nach der anderen, bis nur noch die einzig richtige Lösung für dein Problem übrigbleibt.
diese Übung an dem Ort zu machen, an dem sich das Schwert befindet. Diese Möglichkeit habe ich als erste ausgeschlossen. Doch es könnte in einer Stadt sein, die dieser hier sehr ähnlich ist. Sie ist vielleicht nicht verlassen, denn ein Schwert in einer verlassenen Stadt würde allfälligen Pilgern sofort auffallen und in Kürze die Wand irgendeiner Bar schmücken.«
»Sehr gut«, lobte Petrus, und ich spürte, daß er stolz auf mich oder vielmehr die Übung war, die er mich gelehrt hatte. »Noch etwas«, sagte ich.
»Ja?«
»Der am wenigsten geeignete Ort für das Schwert eines Meisters wäre ein profaner Ort. Demnach muß es an einem geheiligten Ort sein. Vielleicht in einer Kirche, wo es niemand zu stehlen wagt. Zusammengefaßt heißt das: Es befindet sich in der Kirche einer kleinen Stadt in der Nähe von Santiago, für alle sichtbar, aber in die Umgebung eingepaßt. Von nun an werde ich alle Kirchen auf dem Jakobsweg aufsuchen.« »Das ist nicht notwendig«, sagte er. »Wenn der Augenblick gekommen ist, wirst du
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