Auf dem Jakobsweg
sie erkennen.«
Ich hatte es also geschafft.
»Sag mal, Petrus, warum sind wir eigentlich so schnell gewandert und sitzen jetzt hier in dieser verlassenen Stadt fest?«
»Welches wäre die am wenigsten richtige Entscheidung?« Ich warf einen kurzen Blick auf die Schatten rund um uns herum. Er hatte recht. Wir waren aus einem bestimmten Grund hier.
Die Sonne war hinter dem Gebirge untergegangen, doch der Tag war noch nicht zu Ende. Ich dachte, daß in diesem Augenblick die Sonne auf das Eisenkreuz scheinen mußte, das Kreuz, das ich sehen wollte und das nur wenige hundert Meter von hier auf mich wartete. Ich wollte wissen, warum wir warteten. Eine ganze Woche waren wir fast gerannt, einzig und allein, um an diesem Tag und zu dieser Stunde hier einzutreffen.
Um die Zeit totzuschlagen, versuchte ich ein Gespräch zu beginnen, doch ich merkte bald, daß Petrus angespannt und konzentriert war. Schlecht gelaunt hatte ich ihn wahrlich schon öfter erlebt, doch so angespannt noch nie. Oder doch? Damals bei dem Frühstück, das wir in dem Städtchen eingenommen hatten, wie hieß es doch gleich? Kurz darauf hatten wir... Ich blickte zur Seite. Da stand er: der Hund.
Der wilde Hund, der mich einmal zu Boden geworfen hatte, der feige Hund, der beim nächsten Mal hinaus gerannt war. Petrus hatte versprochen, mir beim nächsten Treffen zu helfen, und ich wandte mich ihm zu. Doch neben mir stand niemand mehr. Ich hielt den Blick des Tieres fest, während ich fieberhaft überlegte, wie ich mit dieser Situation fertig werden sollte. Keiner von uns rührte sich, und ich mußte unwillkürlich an die Duelle in einer dieser menschenleeren Städte in den Westernfilmen denken. Niemand war bisher auf die Idee gekommen, ein Duell zwischen einem Mann und einem Hund zu inszenieren. Das war einfach zu unglaubhaft. Doch da stand ich und erlebte real, was in der Fiktion unrealistisch gewesen wäre.
Dort stand die Legion, denn es waren ihrer viele. Neben mir lag ein verlassenes Haus. Wenn ich unvermittelt losrennen würde, könnte ich auf das Dach klettern, und die Legion würde mir nicht folgen. Sie war im Körper und den Fähigkeiten eines Hundes gefangen.
Ich verwarf diesen Gedanken sofort, während ich den Hund weiterhin anstarrte. Mir hatte schon oft vor diesem Moment gegraut, und jetzt war es soweit. Bevor ich mein Schwert fand, mußte ich mich meinem Feind stellen, ihn entweder besiegen oder von ihm besiegt werden. Wenn ich jetzt floh, war alles verloren. Vielleicht würde der Hund nie wieder kommen. Doch ich würde bis Santiago in ständiger Angst leben, und später würde ich nächtelang von diesem Hund träumen, der jeden Moment wieder auftauchen konnte.
Während ich darüber nachdachte, bewegte sich der Hund auf mich zu. Sofort konzentrierte ich mich nur auf den bevorstehenden Kampf. Petrus war geflohen, und ich war allein. Ich hatte Angst, und der Hund tappte knurrend auf mich zu. Dieses Knurren war viel bedrohlicher als ein lautes Bellen, und meine Angst wurde stärker. Sowie der Hund die Schwäche in meinem Blick bemerkte, stürzte er sich auf mich.
Es war, als hätte mich ein Stein mitten auf der Brust getroffen. Ich wurde zu Boden geworfen, und er griff mich an. Ich erinnerte mich dunkel daran, daß ich meinen Tod kannte und daß er nicht so aussah, doch die Angst in mir wuchs, und ich konnte sie nicht beherrschen. Ich kämpfte, um zumindest mein Gesicht und meine Kehle zu schützen.
Ein starker Schmerz durchfuhr mein Bein, er hatte mir eine tiefe Fleischwunde gerissen. Ich nahm die Hände von Kopf und Hals, um die Wunde zu betasten. Der Hund griff sofort wieder an. Da stieß meine Hand an einen Stein. Ich packte ihn und schlug verzweifelt auf den Hund ein.
Er zog sich eher überrascht als verletzt zurück, und ich konnte mich erheben. Der Hund wich noch weiter zurück. Der blutverschmierte Stein gab mir Mut. Ich hatte zu viel Respekt vor der Kraft meines Feindes gehabt, und das war ein Fehler gewesen. Er konnte nicht stärker sein als ich, weniger stark schon, aber niemals stärker. Schließlich war ich schwerer und größer als er. Meine Angst schwand, doch dann verlor ich plötzlich die Beherrschung und begann den Hund mit dem Stein in der Hand aus Leibeskräften anzubrüllen. Das Tier wich noch ein Stück zurück und blieb dann plötzlich stehen.
Es schien meine Gedanken lesen zu können. In meiner Verzweiflung fühlte ich mich stark und gleichzeitig lächerlich, weil ich mit einem Hund kämpfte. Unvermittelt erfüllte mich ein
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