Auf dem Jakobsweg
seines Todes.
Plötzlich wurde mir klar, daß irgend etwas falsch war. Ich war zu stark. Mein Verstand begann sich zu trüben, ich sah das Gesicht eines Zigeuners und um dessen Gesicht undeutliche Bilder. Ich war zur Legion geworden. Das war meine Macht. Sie begannen den Körper dieses armen, erschreckten Hundes zu verlassen, der beinahe in den Abgrund gefallen wäre. Und jetzt waren sie in mir. Ich empfand den übermächtigen Wunsch, das wehrlose Tier in Stücke zu reißen. »Du bist der Fürst, und sie sind die Legion«, wisperte Astrain. Doch ich wollte kein Fürst sein und hörte auch von fern die Stimme meines Meisters, der mir eindringlich zurief, ich habe noch ein Schwert zu suchen. Ich mußte noch eine Minute lang widerstehen. Ich durfte diesen Hund nicht töten.
Ein kurzer Seitenblick auf den Hirten bestätigte meinen Verdacht: Er hatte jetzt mehr Angst vor mir als vor dem Hund. Mir wurde schwindlig, und die Landschaft begann sich zu drehen. Ich durfte jetzt nicht ohnmächtig werden. Ich mußte eine Lösung finden. Ich kämpfte schon nicht mehr gegen ein Tier, sondern gegen die Kraft, die sich meiner bemächtigt hatte. Ich fühlte, wie meine Beine nachgaben, stützte mich an einer Wand ab, doch sie brach unter meinem Gewicht zusammen. Zwischen Steinen und Holzstücken fiel ich mit dem Gesicht auf die Erde.
Die Erde. Die Legion gehörte der Erde, die Früchte der Erde. Die guten und bösen Früchte der Erde, aber Früchte der Erde. Dort war ihr Zuhause, und von dort aus regierte ich die Welt oder wurde von der Welt regiert. Ich stieß ein lautes Heulen aus, einen Schrei, ähnlich wie damals, als der Hund und ich uns zum ersten Mal begegnet waren. Ich fühlte, wie die Legion durch meinen Körper und in die Erde hineinzog, weil in mir Agape war, und die Legion wollte nicht von der alles verschlingenden Liebe verzehrt werden. Das war mein Wille, der Wille, der mich gegen den Rest meiner Kräfte, gegen die Ohnmacht kämpfen ließ, der Wille der Agape, die fest in meiner Seele verankert war und Widerstand leistete. Ich zitterte am ganzen Körper.
Die Legion fuhr machtvoll in die Erde. Ich begann mich zu übergeben, doch ich fühlte, wie die Agape wuchs und aus allen meinen Poren drang. Ich zitterte weiter am ganzen Leibe, bis ich nach einer geraumen Weile spürte, daß die Legion in ihr Reich zurückgekehrt war.
Geschunden und voller blauer Flecken setzte ich mich auf den Boden, eine absurde Szene vor Augen: ein Hund, der blutete und mit dem Schwanz wedelte, und ein Hirte, der mich entgeistert anstarrte.
»Sie haben wohl etwas Schlechtes gegessen«, sagte der Hirte, der noch immer seinen Augen nicht traute. »Doch nun geht es Ihnen bestimmt gleich besser.«
Ich nickte. Er dankte mir, weil ich »meinen Hund« zurückgehalten hatte, und setzte den Weg mit seinen Schafen fort.
Petrus erschien und sagte nichts. Er riß einen Streifen von seinem Hemd ab und verband mein Bein, das stark blutete. Er bat mich, alle Körperteile zu bewegen, und meinte dann, mir sei nichts Ernstes passiert.
"Du siehst ziemlich ramponiert aus«, sagte er lächelnd. Seine seltene gute Laune war zurückgekehrt. »So können wir heute das Eisenkreuz nicht besuchen. Die Touristen dort würden sich furchtbar erschrecken.«
Mir war das gleichgültig. Ich stand auf, schüttelte den Staub ab und prüfte, ob ich gehen konnte. Petrus schlug mir vor, die R.A.M.-Atemübung zu machen. Ich machte sie und gelangte wieder in Einklang mit der Welt.
In einer halben Stunde würde ich das Eisenkreuz erreichen. Und eines Tages würde Foncebadon aus seinen Ruinen auferstehen. Die Legion hatte dort viel Macht hinterlassen.
Befehlen und Dienen
Petrus mußte mich bis zum Eisenkreuz fast tragen, weil ich mich wegen der Wunde am Bein nur mehr humpelnd fortbewegen konnte. Als er sah, wie sehr mir der Hund zugesetzt hatte, beschloß er, daß ich mich erst einmal erholen müsse, bevor ich den Jakobsweg wieder aufnahm. Dort ganz in der Nahe gab es ein Dorf, das Pilgern, die die Nacht überraschte, bevor sie das Gebirge überquerten, Unterkunft gewährte. Petrus gelang es, im Haus eines Schmiedes zwei Zimmer zu bekommen. Dort quartierten wir uns ein.
Mein Zimmer hatte einen kleinen Balkon. Diese Art Veranda war einst eine architektonische Revolution gewesen, die sich vom 7. Jahrhundert von diesem Dorf ausgehend über ganz Spanien verbreitet hatte. Ich konnte eine Bergkette sehen, die ich früher oder später überqueren mußte, um nach Santiago zu gelangen. Ich fiel ms
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