Auf dem Jakobsweg
Augenblick hatte ich mehr Angst vor Petrus als vor dem Wasserfall oder dem Hund. Ich bat verzweifelt die Natur um irgendein Zeichen, das mir zeigen oder sagen würde, was diesen sinnlosen Befehl rechtfertigte. Stille. Entweder gehorchte ich Petrus, oder ich mußte mein Schwert vergessen. Ich hob noch einmal meine verbundenen Arme, doch er setzte sich auf den Boden und wartete darauf, daß ich seinen Befehl ausführte.
Da beschloß ich zu gehorchen.
Ich ging zum Kreuz und versuchte, es mit dem Fuß zu bewegen, um sein Gewicht abzuschätzen. Es rührte sich kaum. Selbst mit gesunden Händen hätte ich es kaum anzuheben vermocht, doch mit meinen Verbänden konnte ich es vergessen. Doch ich würde gehorchen. Ich würde Blut schwitzen wie Christus damals, als er das gleiche Gewicht schleppte, und vielleicht würde das ja Petrus' Herz rühren, und er würde mich von dieser Prüfung befreien.
Das Kreuz war an seinem Fuß abgebrochen, doch einige Fasern hielten es noch. Ich besaß kein Taschenmesser, um diese Fasern zu trennen. Ich überwand meinen Schmerz und versuchte das Kreuz vom abgebrochenen Fuß zu reißen, ohne die Hände zu benutzen. Die Wunden an den Armen kamen mit dem Holz in Berührung, und ich schrie vor Schmerz auf. Ich blickte Petrus an, doch er saß gleichmütig da. Ich beschloß, nicht weiterzuschreien. Meine Schreie würden von nun an in meinem Herzen ersterben.
Mir wurde klar, daß mein Problem zunächst nicht darin bestand, das Kreuz zu bewegen, sondern es von seinem Fuß zu trennen und dann ein Loch in den Boden zu graben und es in das Loch zu schieben. Ich suchte mir einen scharfen Stein und begann, meinen Schmerz beherrschend, auf die Holzfasern einzuschlagen.
Der Schmerz nahm mit jedem Augenblick zu, und die Fasern gaben nur langsam nach. Ich mußte aufpassen, daß die Wunden nicht wieder aufbrachen. Ich beschloß, die Arbeit etwas langsamer angehen zu lassen, zog das T-Shirt aus und wickelte es mir um die Hand. Der Stoff zerriß Faser um Faser. Der Stein wurde stumpf, und ich mußte mir einen anderen suchen. Der Schmerz in der Hand wurde immer heftiger, und ich arbeitete nun wie besessen. Ich wußte, daß irgendwann der Augenblick kommen würde, an dem der Schmerz unerträglich sein würde. Ich sägte, hämmerte, fühlte, wie zwischen Haut und Verband eine klebrige Masse die Bewegung zu hemmen begann. Ich biß die Zahne zusammen, und da plötzlich schien die dickste Faser auch nachzugeben. Ich war so erregt, daß ich sofort aufstand und diesem Stamm, der mir so viel Leid verursachte, mit aller Kraft einen Fußtritt versetzte.
Das Kreuz fiel, von seiner Basis befreit, mit einem Ächzen zur Seite.
Meine Freude hielt nicht lange vor. Meine Hand begann heftig zu pochen, dabei hatte ich die Aufgabe erst begonnen. Ich sah zu Petrus hinüber. Er war eingeschlafen. Eine Weile überlegte ich mir, wie ich ihn täuschen und das Kreuz aufrichten könnte, ohne daß er es bemerkte.
Doch genau das wollte Petrus ja: daß ich das Kreuz aufrichtete. Und es gab nichts, womit ich ihn täuschen konnte, denn die Durchführung der Aufgabe hing allein von mir ab.
Ich blickte auf den gelben, trockenen Boden. Auch jetzt würden die Steine meine einzige Rettung sein. Ich konnte nicht mehr mit der rechten Hand arbeiten, weil sie zu sehr schmerzte und diese klebrige Masse darin war, die mir Sorgen machte. Ich wickelte langsam das Hemd vom Verband ab: Blut war rot durch die Gaze gesickert. Dabei war die Wunde fast verheilt gewesen. Petrus war unmenschlich.
Ich suchte mir eine andere Art von Steinen, schwerere und widerstandsfähigere Steine. Nachdem ich das Hemd um die linke Hand gewickelt hatte, begann ich eine Grube in die Erde vor der Basis des Kreuzes zu graben. Anfangs ging es schnell voran, doch dann wurde der Boden hart und trocken. Ich grub und grub, doch das Loch schien immer gleich tief zu bleiben. Ich beschloß, es nicht zu weit zu machen, damit das Kreuz genau hineinpaßte und an der Basis nicht locker saß. Doch das machte es mir schwer, die Erde unten herauszuholen. Meine rechte Hand tat nun nicht mehr weh, doch das geronnene Blut verursachte mir Übelkeit und beunruhigte mich. Ich war ungeübt im Benutzen der linken Hand, und mir fiel der Stein ständig aus der Hand.
Ich grub unendlich lange. Jedesmal, wenn der Stein auf den Boden schlug, jedesmal, wenn meine Hand in das Loch faßte, um Erde herauszuholen, dachte ich an Petrus. Ich sah ihn ruhig schlafen und haßte ihn von ganzem Herzen. Weder der Lärm noch der
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