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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Taschendiebs, mit flinken Bewegungen, wachsamen Gesten und unstetem Blick.
    «O Herr, o Herr», rief jemand.
    Wieder ertönte die Orgel, und alle begannen zu singen.
    «Gott wird dich beschützen
    auf allen Wegen,
    gibt dir seinen Segen
    und wird dich beschützen.»
    Sie wiegten sich beim Singen hin und her, klatschten in die Hände und riefen von Zeit zu Zeit Halleluja, Halleluja.
    Als das Lied vorbei war, verstummte die Menge, und Brother Coleman erhob die Arme wie ein Priester und intonierte mit leidenschaftlich erregter Stimme.
    «Gebt Gott alles, was ihr habt. Ich bitte euch nicht für
mich
um Geld, sondern ich will, dass ihr es
Gott
gebt. Kommt nach vorn, alle, ja, alle», schrie er fast, «leert eure Geldbörsen zu Gottes Füßen, zur Ehre Gottes; egal wie klein eure Gabe ist, Gott nimmt sie an, Gott hat Verständnis.»
    Einer nach dem anderen ging nach vorne. Haushaltsgeld, Fahrgeld, Sozialhilfegeld, Mietzins, Ersparnisse – die Bühne war erfüllt vom Klingen der fallenden Münzen, das das Mäusegeraschel des Papiergeldes übertönte; gleichzeitig spielte der Assistent eine Geld-Begleitung auf der Orgel, und eine große dunkle Frau in einem schimmernden purpurroten Gewand sang ein langsames, andächtiges Geld-Lied, welches,sobald das Opfer vorbei war und die beiden Leibwächter das Geld in einem Glitzerbehälter, so groß wie ein Pflanzenkübel für einen Baum, gesammelt hatten, überging in
    «Du Liebe, die mich leitet, Stück für Stück,
    lass meine müde Seele in dir ruhn,
    mein Leben geb ich dir zurück …»
    Das Publikum fiel in den Gesang ein, wiegte sich von Neuem hin und her, klatschte in die Hände und rief Halleluja, Halleluja.
    Und wieder Stille. Noch ein leidenschaftlicher Aufruf Brother Colemans.
    «Ihr habt etwas zurückbehalten. Schaut in eure Brieftaschen. Seht ihr den zerknitterten Geldschein, den ihr vor Gott versteckt habt – ich sehe ihn, Gott sieht ihn. Gebt ihn Gott.»
    Einer oder zwei kamen mit beschämten Gesichtern aus dem Publikum und ließen die zerknitterten Scheine fallen, die Brother Coleman mit seinem göttlich-durchdringenden Blick gesehen hatte. Dann wieder Stille. Die Frau neben mir flüsterte:
    «Es wird Zeit für das Wunder.»
    Sie blickte besorgt.
    «Es ist schon spät.»
    Es war fast Mittag. Gott und Brother Coleman würden sich beeilen müssen.
    Brother Coleman streckte seine Hand dem Publikum entgegen.
    «Ich frage mich», sagte er, «ob Gott will, dass ich ihm heute Vormittag bei einem Wunder behilflich bin?»
    «Jesus», schrie er, «hörst du mich, Jesus, mein geliebter Jesus?» Seine Augen waren geschlossen. Tränen liefen ihm über das Gesicht, echte, glitzernde Tränen. Er neigte den Kopfzur Seite und blickte auf, als höre er etwas, dann stöhnte er und rief: «Dein Wille, o Herr, Dein Wille.»
    Die Menge wiederholte: «Dein Wille, o Herr, Dein Wille.»
    Er seufzte.
    «Wir verstehen, Jesus», sagte er. «Wir verstehen.»
    Er öffnete die Augen und rief: «Wir verstehen», und die Menge antwortete: «Halleluja, Halleluja. Lobet den Herrn.»
    «Brüder und Schwestern in Christo, der Herr will nicht, dass heute Vormittag ein Wunder vollbracht wird. Es ist nicht der Wille Jesu. Der Wille Jesu ist vollkommen. Wir wollen beten, wir wollen beten für die Kranken und die Waisen, die Alten und die Armen. Neigen wir unsere Häupter.»
    Stille trat ein, dann ein Seufzer der Enttäuschung, und Bewegung entstand in den Reihen der Versehrten, die sich ganz vorne versammelt hatten, um dem Schauplatz des Wunders nahe, vielleicht sogar Teil davon zu sein.
    «Neigen wir unsere Häupter», wiederholte Brother Coleman.
    Es folgte ein langes Schweigen, dann begann die Orgel, den Choral zu spielen.
    «Dein Wille, o Herr, soll gescheh’n,
    Du bist der Töpfer, ich bin dein Lehm,
    Forme, gestalte mich nach deiner Weise,
    Während ich warte, ergeben und leise.»
    Die große dunkle Frau sang, ab und zu Sätze murmelnd, gemeinsam mit dem Publikum. Dann, nach einem weiteren «Halleluja, Lobet den Herrn», begann die «Auszugs»-Musik, ein flotter Marsch. Das Schauspiel war vorüber.
    «Denkt daran, Brüder und Schwestern, kommt wieder um zwei Uhr nachmittags, zu Jesus und dem Wunder.»
    Vereinzelte Hallelujas murmelnd, schob sich die Menge hinaus auf die graue, schneebedeckte Monument Street, die nach der dampfenden Wärme, der Erregung und dem Geruch des Theaters eine Straße der Hoffnungslosen zu sein schien, mit ihren Haufen aus schmutzigem Schnee und Matsch und dem trostlosen

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