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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Doppelzauber von Eis und Feuer den Kohleneimer (einen Petroleumbehälter mit Drahtgriff) oder die Kohlenschütte (schwarz, in ausgefallener Helmform) füllte, um beim Zurückkommen gerade noch die letzten Takte von «The New Jerusalem» oder von «The Stranger of Galilee» oder dem «plärrenden Sopran» zu hören, der eine ergreifende Vorstellung von sich selbst und «The Old Rugged Cross» bot.
    «Ich will mich klammern ans alte raue Kreuz …»
    Ich wusste, dass auch Brian, während er spielte und sang, alten Erinnerungen nachhing, vielleicht weniger friedvollen als ich, denn sein Vater starb jung, und Brians Kindheit war beschwert von der Last der Verantwortung, die von der Kolonie seiner Onkeln und Tanten immer angedeutet und oft auch angesprochen wurde: der Verantwortung des «Mannes in der Familie», mit der Pflicht, für Mutter, Schwester und zwei jüngere Brüder zu sorgen.
    Mrs Tyndall starb an jenem Abend, immer noch die Einkaufstasche an die Brust drückend. Sie erkannte niemanden. Ihr Tod war friedlich – für sie, aber auf uns machte er starken Eindruck, weil er ein Licht auf Verlust warf und auf die Unmöglichkeit, die menschlichen Schulden und ihre Bezahlung mithilfe von zufälligen Telefonnummern und Diamantensparbüchern aufzurechnen. Baltimore schien unendlich weitentfernt von meiner Zeit mit Lance und seiner Suche nach Yorkie Wynyard und von Blenheim mit seinen Altarschiebetüren und dem Altartuch aus Möbelplüsch und abwaschbarem Vinyl.
    Und doch lächelte ich, wenn ich daran dachte, wie Mrs Tyndall – wo immer sie sein mochte – überprüfte, ob der Thermostat auf die ihr angenehme Temperatur eingestellt war, und ihn dann mit Sicherheit höher drehte. Und ich überlegte nüchtern, dass ich vielleicht noch in meiner Todesstunde das Bedürfnis haben würde, den Thermostat niedriger zu stellen!

16
    Ich bin nun bei der Zeit meiner Einladung nach Kalifornien angelangt. Ich hatte das Haus in Berkeley für mich angenommen und war nach Baltimore zurückgekehrt, um den Abflug der Garretts nach Italien abzuwarten, und in der Zwischenzeit arbeitete und schlief ich unten im Souterrain, bei den Küchenschaben. Das erinnerte mich an die Küchenschaben in der Spülküche, unter dem Ausguss, in meiner Kinderzeit. Seit Mrs Tyndalls Tod hatten Brian und ich die Kindheit in starken Dosen zu uns genommen. Ich dachte auch ständig an die Sommer von damals, als wir den ganzen Tag in den Schwimmbädern und am Strand verbrachten und unser Haar nie trocknete, als die Strähnen sich durch das Salz verfilzten und wir uns wie Fische, nicht wie Kinder fühlten. Unsere Badeanzüge, die wir in die dazugehörigen Handtücher einrollten (man verpackte seine Badesachen auf ganz bestimmte Weise), waren immer feucht, unsere nackten Füße hinterließen immer nasse Fußabdrücke, unsere Wimpern waren so nass, dass wir andauernd wie durch Tränen hindurchblinzeln mussten, und wenn wir uns die Lippen leckten oder uns imaginäres Schlangengift aus dem Arm saugten, schmeckte es scharf und salzig. Es waren Tage des Fröstelns und der Wärme, Tage gegensätzlicher Witterung ohne Abstufungen. Im Klima unserer Kindheit waren die Wörter, die wir verwendeten, heiß, kalt, nass, trocken, und diesen Gegensätzen ausgeliefert, zitterten wir in der Eiseskälte, die sich unter undurchdringlichen Wolken ausbreitete, oder glühten im wohltuenden, strahlend blauen und goldenen Sonnenlicht. Und wenn ichan die Kindheit meiner eigenen Kinder denke, erinnere ich mich an die Strandpicknicks oben im Norden, doch wenn ich ihr Leben nachvollziehe, wie Eltern dies tun, indem ich ihre Erinnerungen zu meinen eigenen mache, haben seltsamerweise das Fernsehprogramm zur Zeit der Anfänge des Fernsehens in Neuseeland und die Popsongs und Schallplatten die gleiche Macht, die magische Zeit heraufzubeschwören.
    Immer wenn ich Kinder sehe, deren Haare und Haut feucht wirken (im Grunde nicht nur Kinder, auch Brians Haare und Haut hatten dieses besondere Aussehen), habe ich das Gefühl, dass sie gerade ein Kindheitsklima durchleben, das die meisten anderen schon vergessen haben. Und wenn ich Kinder sehe, die von jener anderen Feuchtigkeit heimgesucht werden, der einer schniefenden, rinnenden Nase, unterbrochen von Tränen, entsinne ich mich der Strömung des Kummers, die – bei manchen Kindern für immer – das Ferienmeer durchzieht. Und als während dieser Küchenschabenzeit in Baltimore, kurz vor meinem Abflug nach San Francisco, Brians Neffe für eine Woche

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