Auf dem spanischen Jakobsweg
Jedenfalls
bestätigte Papst Urban II. im Jahre 1095 den heutigen Namen der Stadt: Santiago
de Compostela. Hierbei ging man wohl schon von der Bedeutung „Sternenfeld“ aus.
Wir hatten
schon einige Etappen vor Santiago einen Zettel gefunden, der auf eine Pension
in der Fonseca-Straße in Santiago aufmerksam machte. Jetzt stellen wir fest,
dass diese Straße unmittelbar an die Kathedrale angrenzt, somit auch mitten in
der Altstadt liegt. In diesem Punkt jedenfalls sind wir verwöhnt, denn auch die
meisten Pilgerherbergen, oft in historischen Gebäuden untergebracht, lagen
ebenfalls sehr zentral. Also steigen wir in der Fonseca-Straße in einem
ebenfalls historischen Gebäude eine knarrende Treppe hoch, wo wir von der
kleinen Señora Vilar sehr liebenswürdig empfangen werden. Ja, wir können ein
Dreibettzimmer für drei Nächte haben, da ist gerade eines frei geworden und es
kostet 5000 Peseten pro Person und Nacht, also etwa zwanzig Mark. Na, wenn das
nichts ist, im Schatten der großen Kathedrale und mitten in der Altstadt mit
den vielen kleinen Geschäften und Kneipen zu wohnen.
Um 12 Uhr
mittags wird, wie an jedem Tag, in der Kathedrale eine Pilgermesse gelesen und wir
haben nur wenige Meter dorthin. Wir gehen über den Platerías-Platz, wo sich
früher die Gold- und Silberschmiede niedergelassen hatten und wo noch heute der
schöne Pferdebrunnen steht. Von hier führen breite Steintreppen hoch zum
Südportal mit der berühmten Platerías-Fassade, der noch einzigen romanischen
Fassade der Kathedrale. Schon Aymeric hat sie um das Jahr 1130 so beschrieben,
wie man sie noch heute bewundern kann:
Das Südportal hat zwei Eingänge
und vier Türen, ln der Fassade des rechten Eingangs ist der „ Verrat des Herrn
„ dargestellt, darüber wird die Mutter Maria gezeigt und die drei Könige, die
dem Kind ihre Gaben schenken. Über dem linken Eingang sieht man die „Versuchung
des Herrn“. Ungeheuer versuchen, den Herrn auf Abwege zu bringen, aber Engel
wachen über ihn. Auf der rechten und der Unken Seite des jeweiligen Eingangs
stehen auf den inneren Pfeilern zwei Apostel als Torwächter. Außerdem werden
diese Apostel bei der Bewachung des Portals noch von vier Löwen unterstützt.
Das Portal wird von elf Säulen getragen. Einige sind aus Marmor, andere aus
Stein, aber alle sind sorgfältig gearbeitet, kunstvoll behauen und geschmückt
mit Bildern von Blumen, Tieren und Menschen.
Zur
Mittagsmesse, immer auch ein Treffpunkt für die Pilger, haben sich heute keine Massen
versammelt, die Tourismus-Saison ist jetzt, Ende September, offensichtlich
schon erheblich abgeflacht. So können sich alle, die gekommen sind, bequem um
den Altarraum gruppieren. Es wird kein feierliches Hochamt zelebriert, es wird
nur eine schlichte Messe gelesen, Menschen kommen und gehen, Pilger treffen
sich hier plötzlich wieder, umarmen sich spontan, es geht locker zu. Auch wir
erkennen einige, denen wir schon einmal auf dem Camino begegnet waren.
Nach der
Messe bleiben wir noch in der Kathedrale. Um diese großartige Kirche, ihren
Körper und ihre Seele, zu beschreiben, müsste man ein Sänger, ein Lyriker sein.
Träume, Visionen, Mysterien, Ekstasen sind hier über Jahrhunderte hinweg zu
Stein und Form geronnen und doch auch Geist und Seele, Vision geblieben.
Wegen der
vielen Anbauten, die diese Kirche immer wieder erfahren hat, kann man
eigentlich nur im Innern, angelegt in der Form eines lateinischen Kreuzes mit
drei Schiffen, ihren romanischen Ursprung aus dem 11. und 12. Jahrhundert
sofort erkennen. Aber die Geschichte von Kirchenbauten, die hier geschrieben
wurde, reicht noch viel weiter zurück. Wir haben schon erfahren, dass der
asturische König Alfons II. unmittelbar nach der Auffindung des Grabes über dem
Fundort ein erstes einschiffiges Kirchlein hat bauen lassen. Bei den erwähnten
Ausgrabungen hat man auch hiervon noch Mauerreste gefunden. Schon in dieser
frühen Zeit kamen die ersten Pilger und ihre Zahlen vermehrten sich schnell.
Die Reconquista hatte jetzt ihren ersehnten spirituellen Leitstern und auf
unserem Weg von Logroño nach Nájera, vorbei am Berg Clavijo, haben wir gehört,
dass dort schon im Jahre 844 Jakobus auf einem „glänzend weißen Pferd“ vom
Himmel geritten war und dem christlichen Heer einen Sieg gegen die Mauren
beschert hat. Wieviel Legende auch immer mit dieser Schlacht von Clavijo
verbunden sein mag, die Reconquista fasste langsam Tritt. Dies und das
Anwachsen der Pilgerströme aber stand in
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