Auf dem Weg zu Jakob
Sonderausstellung zu diesem Thema in Astorga besucht, aber das Pilgermuseum in Santiago ist sicherlich auch sehr interessant. Außer Statuen, Santiago als Peregrino oder Matamoros in jedem nur erdenklichen Material (Alabaster, Granit, Marmor, Holz, Metall), gibt es alte Landkarten, Pilgerausrüstung, und auch Musikinstrumente, zum Beispiel das Organistrum, ein eigentümliches, mit reichhaltigem Schnitzwerk verziertes Instrument mit drei Saiten, zwölf Knöpfen und einer Kurbel. Der Weg nach Santiago war lang, und auch damals schon hat man sich die Zeit mit Musik vertrieben.
Kurz nach 14:00 Uhr bin ich wieder am Campingplatz. Mein kleines Thermometer zeigt jetzt 48°C. Das ist ungewöhnlich heiß für Galicien, eine Hitzewelle. Dass es auch anders geht, werde ich in den nächsten Tagen spüren. Heute Nachmittag habe ich nur den Pool geplant. Egal wo man lagert, man hat seine Sachen hier immer gut im Blick. Bei dieser Hitze bleibe ich lange im Wasser. Wieder an Land ziehe ich mein Handtuch in Heckennähe, um etwas Schatten abzubekommen. Doch als ich da liege, höre ich ein Geräusch, so ein seltsames Rascheln. Ich vermute ein Tier, kann aber nichts sehen. Doch dann entdecke ich, wie sich irgend etwas unterirdisch einen Tunnel gräbt, direkt auf mein Handtuch zu.
Das Ende der Welt
Heute ist es bedeckt, etwas diesig und nicht mehr so heiß. Ich habe eine Exkursion an die Küste geplant. Finisterre, das im Mittelalter als der westlichste Punkt der bekannten Welt galt, das Ende der Welt sozusagen, an das einige Pilger nach Santiago noch weiterzogen, will ich mir noch aufsparen und heute erst mal den Hafen Iria Flavia aufsuchen, wo Jakobs Leichnam eintraf. Über die mautpflichtige Autobahn fahre ich nach Padrón . Aber hier ist heute absolut kein Durchkommen, denn es ist Sonntag und somit Markttag . Alles wird hier verkauft, von Möbeln, über Garderobe und Elektroartikeln bis hin zu Lebensmitteln. Jeder sucht nach einem Parkplatz, ich bloß nach der Durchfahrt. Ewig stehe ich im Stau und beschließe umzukehren und lieber an die Küste zu fahren.
Auf einem anderen Ausflug kehre ich hierher noch einmal zurück und mache Iria Flavia ausfindig. Viel gibt es davon leider nicht mehr zu berichten: eine Kirche mit ganz niedlichem Friedhof, eine Handvoll Wohnhäuser, an denen der aus Portugal kommende Pilgerweg vorbei führt, aber ansonsten nur Durchgangstraßen mit dem schwersten Verkehr, den man sich ausmalen kann. Schierer Horror mit Dieselgestank und Motorenlärm. Mich hat die Neugierde hierher getrieben, aber ich kann nur jedem raten, seine Zeit an interessanteren Orten zu verbringen.
Entlang der Straße nach Ribera bietet sich mir immer wieder ein ähnliches Bild: verstreute Siedlungen mit meist hässlichen Häusern, in den Gärten ein bisschen Weinanbau, weiße Dahlien, ein paar Kartoffelpflanzen und etwas Mais, manchmal liegen auch noch ein paar Fischernetze, alte Eimer, Plastiktüten oder sonstiger Unrat dazwischen. Am Straßenrand blühen Königskerzen riesigen Ausmaßes und vereinzelt noch etwas Ginster. Dann folgt wieder Eukalyptuswald.
Eine „Via Rapida“, eine Schnellstraße, ist angekündigt, aber schon längst bevor sie erreicht ist, fährt hier jeder mit der größtmöglichen Geschwindigkeit. Ich biege ab Richtung Pobra, direkt am Ria gelegen.
Ein Ria ist ein bis zu 30 km tief ins Landesinnere reichender Meeresarm. Geologisch betrachtet handelt es sich um ein abgesunkenes Flusstal, in das das Meer eingedrungen ist. Da die Hauptwasserscheide der Iberischen Halbinsel westlich des Ebro-Flusssystems verläuft, gehen Geologen davon aus, dass sich die gesamte Landmasse aufgrund von Hebungen der postpontischen Rumpffläche während des Pliozäns bereits schon ab dem 4. Längengrad nach Westen abdacht. Je nachdem, wie stark sich das Land hier gesenkt hat und wie stark das dominierende präkambrische Granitgestein von der Erosion angegriffen worden ist, spricht man von den Ria Altas, den hohen Rias, und den Ria Baixas, den niedrigeren. Man geht davon aus, dass Cabo Finisterre die Grenze zwischen den höheren Rias im Norden und den flacheren Rias im Süden bildet. Zu meiner Linken befindet sich also ein Ria Baixa.
Auf dem Ria schwimmen riesige Plattformen, auf denen die begehrten Vieiras gezüchtet werden. Die meisten Gebäude in Probra sind weiß getüncht, aber einige sind, wie es auch in Portugal Sitte ist, gekachelt. In den Gärten wird Wein und Kohl angebaut. Ich halte an dem kleinen Hafen.
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