Auf dem Weg zu Jakob
endlich: Fisterra. Mittlerweile gießt es in Strömen und ist kalt. Von hier sind es noch 3 km zum Kap. Ich fahre gleich hin, ohne mich hier zuvor umgesehen zu haben. Kaum habe ich den Ort verlassen, wird die Straße schmal, und ohne Begrenzung geht es auf der linken Seite steil die Kliffs hinunter.
Am Kap stehen ein paar Fahrzeuge. Ein einsamer Verkaufsstand bietet Souvenirs an, Jakobsmuscheln und anderen Kram. Der Wind peitscht, der Regen schießt waagerecht von der Seite. Trotzdem steige ich aus - schließlich bin ich hier am „Ende der Welt“.
Ich laufe bis ans Ende, am Leuchtturm vorbei. Dieser Küstenabschnitt, auch „Cuesta del Muerte“ (Todesküste) genannt, ist aufgrund seiner versteckten Klippen sehr gefährlich und hat schon vielen Seeleuten das Leben gekostet. Der graue Himmel stürmt, das ebenso graue Wasser weit unten in der Tiefe braust wie ein Hexenkessel.
Allein von diesem nun wirklich ziemlich kurzen Spaziergang zum Kliffende kehre ich total durchgefroren und nass zum Auto zurück. Ich habe jetzt noch eine lange und vor allem mühsame Rückfahrt vor mir entlang der kurvigen Küstenstraße. Erst als das Schlimmste hinter mir liegt, habe ich Gegenverkehr und wir schaffen es irgendwie, aneinander vorbeizukommen. Ein paar hartgesottene Fußpilger sind jetzt auch unterwegs, vorn übergebeugt streben sie dem Kap entgegen. Ihnen entgegen zu rufen und ihnen zu erzählen, dass es da gar nichts gibt, rein gar nichts, hätte keinen Zweck gehabt. Hätte es mir jemand zugerufen, wäre ich wahrscheinlich auch weitergefahren. So ist das nun mal mit dem Ende der Welt.
…und zurück
Die Rückfahrt geht zügiger voran als erwartet. Zeit und Entfernungen scheinen manchmal ihr Eigenleben zu führen. Und das lässt sich rückblickend auch über meine Tour sagen. Schienen die vier Wochen am Anfang eine unheimlich lange Zeit, zumal ich mich alleine auf den Weg gemacht habe, so sind die Wochen wie im Fluge vergangen.
Mein Flieger nach Barcelona geht früh morgens. Zu einer gottlosen Zeit stehe ich mit meinem verpackten Fahrrad am Schalter zum Einchecken. Draußen ist es noch dunkel. Als wir starten, wird es gerade hell. Ich sitze auf der linken Seite am Fenster, aber schon nach kurzer Zeit düsen wir durch die Wolken und ich kann am Boden nichts mehr erkennen. Wenige Minuten später stecken ein paar Berge ihre Köpfchen durch die tief hängende Wolkendecke. Ein letzter Gruß von O'Cebreiro oder dem Cruz de Ferro? Schwer auszumachen. Dann über der Meseta lichten sich die Wolken plötzlich, und über dem Ebrobecken ist schließlich alles frei. Eine mit reifen Weizenfeldern bestandene, jetzt goldgelb leuchtende Erdoberfläche glänzt mir entgegen. Logroño.
Und schon fliege ich noch über den Abschnitt, den ich aus eigener Kraft mit dem Rad befahren habe, na ja, ein Stück zumindest, denn der Flieger biegt ab. Den mit Windmühlen bestandenen Perdón-Pass und Pamplona sehe ich nur von weitem. Dafür fliegen wir jetzt den Canal de Berdún entlang, dem Pyrenäenvortal, durch das der andere Zweig des spanischen Caminos verläuft, der Teil, mit dem bei mir alles angefangen hat. Das Embalse de Yesa liegt direkt unter mir, wie auf einer Landkarte, bloß, dass das hier alles echt ist. Es ist echt, und doch wie ein Traum, ein Traum, der mich seitdem begleitet, und das Versprechen, möglichst bald einen neuen Versuch zu starten, die Strecke mit sehr viel weniger Gepäck zu einer kühleren Jahreszeit noch einmal unter die Fahrradreifen zu nehmen.
Farbbilder
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