Auf dem Weg zu Jakob
hatte mir ausgemalt, dass das Gelände eingezäunt wäre und hier alles ganz organisiert ablaufen würde, aber nichts da. Jeder kann sich mit dem Castro beschäftigen wie er will und solange er will. Ich klettere den Küstenpfad hinunter und gehe hinüber.
Der immer noch milde Wind hat inzwischen, zumindest hier auf der Felszunge, fast schon sturmartigen Charakter angenommen. Er pfeift heftig. Hinter dem Castro werden Meereswellen gegen die Felsen geschleudert, dass die Gischt nur so spritzt. In einer windgeschützten Bucht hält eine Gruppe Neo-Hippies ein Picknick ab. Weiter draußen im Meer versuchen zwei Surfer ihr Glück. Es ist schön hier. Trotz des starken Windes verbringe ich hier eine ganze Weile, bevor ich mich langsam auf den Rückweg bewege, immer wieder auf das einmalige Castro zurückblickend.
Wieder oben beim Restaurant bestelle ich mir eine Portion leckere Calamari. Was mich wundert ist, dass die meisten Leute hier gar nicht zum Castro gehen, sondern nur zum Essen herkommen. Auch wenn ich eine Einheimische wäre, ich würde immer wieder zum Castro de Baroña gehen wollen. Seitdem und insbesondere während des heimtückischen norddeutschen Winters habe ich mich nach diesem Nachmittag auf dem grauen Felsvorsprung mit seiner milchig feuchten schnellen Luft gesehnt, allein zwischen den Fundamenten der alten Keltensiedlung.
Das kleine Noia hat sicherlich mehr zu bieten als alle Orte, durch die ich auf meinem heutigen Ausflug kam, aber es reißt mich nicht unbedingt vom Hocker, dass ich es ein zweites Mal besuchen müsste. Die älteren der meist zwei- oder dreistöckigen Häuser haben oft verglaste Balkone, was dem Ort zweifelsohne einen gewissen Charakter verleiht. Ich besichtige die Kirche, die Santiago gewidmet ist und von hinten eher wie eine mit Zinnen versehene Ritterburg aussieht. Sie ist voller Holzfiguren, die alle gutmütig drein schauen. Ungewöhnlich finde ich die Weihwasserbecken aus großen Muschelschalen. Was mir jedoch in den Straßen auffällt, ist, dass hier offenbar die Jungfrau als Pilgerin verehrt wird und die Pilgerfigur nicht der männliche Santiago ist.
Bei meinem nächsten Ausflug an die Küste umfahre ich Noia gleich und begebe mich auf die mir schier endlos erscheinenden Umrundungen des Ria de Muros e Noia . Die Straße schlängelt und windet sich. Ein Fischerdorf ist ans andere gereiht. Alle sehen sie gleich unaufgeräumt aus. Das Wetter hat sich weiter verschlechtert und das Thermometer will heute nicht über die 16°-Marke hinaus. Es ist stark bewölkt und ab und zu regnet es.
Ich halte in Muros , einem etwas größeren Ort mit Hafen. Es sind relativ viele Menschen hier. Leider fängt es gerade wieder an zu regnen, als ich aussteige. Ich habe aber meine Regenjacke dabei und ziehe trotzdem los. Es ist zum Glück nur ein Schauer. In der Gasse, die parallel zur Hafenstraße verläuft, ist Markt mit ein paar Ständen, auf denen Frauen etwas Gemüse aus ihren Hintergärten anbieten oder ein paar Gardinen und Kissen verkaufen. In der Minimarkthalle ist sogar ein Fischhöker anzutreffen. Alles ist hier noch sehr ursprünglich. Der Markt ist ausschließlich auf Einheimische ausgerichtet, was man auch über die örtlichen Geschäfte sagen kann. Lediglich direkt an der Hafenstraße gibt es ein paar Cafés, in denen auch schon mal ein Tourist auf der Fahrt nach Fisterra, wie Finisterre hier heißt, pausiert.
Immer der Küstenstraßen folgend gelange ich nach endlosem Gekurve nach Carnota . Vielleicht sieht es hier ja im Hochsommer zur Schulferienzeit anders aus, aber jetzt bei diesem Wetter und der gähnenden Leere wirkt der Ort absolut trostlos. Ich biege ab zum Hórreo de Carnota , einem ganz langen Kornspeicher, der von der gesamten Dorfgemeinschaft benutzt wird.
Ganz knapp passt mein Wagen durch einen engen Durchlass bei der Kirche, wo ich zum großen, breiten Sandstrand abbiege, der jetzt aber verloren daliegt. Ein einsamer Jogger, der sich durch die immer wiederkehrenden Regenschauer kämpft, ganz in der Ferne noch jemand mit seinem Hund. Meinen Urlaub möchte ich hier nicht verbringen, sage ich mir, und merke just in diesem Moment, dass dies doch mein Urlaub ist.
Ich fahre weiter, will endlich ans Cabo Fisterra , will sehen, wo im Mittelalter die Welt zu Ende war. Etliche Kurven weiter, nach Umrundung des Rias de Corcubión gelange ich zum Ort Corcubión . Ich frage mich, wie die Menschen, die hier leben, es aushalten. Auf mich wirkt der Ort trostlos.
Dann
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