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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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früher.
    Dieser verdammte Verwalter hatte höchst merkwürdig darauf reagiert, dass er den jungen Gauner erschossen hatte. Dabei hatte er inzwischen erfahren, dass der verhinderte Räuber auch noch gesucht wurde, weil er in einer Mordsache befragt werden sollte! Da durfte man ja wohl ein wenig Dankbarkeit erwarten. Aber Cameron hatte ihn wütend beschimpft, anstatt sich zu freuen, dass er den Raubüberfall bemerkt und den Buschläufer ausgeschaltet hatte. Als Verwalter in der Kolonie war der Mann auf jeden Fall erledigt; Granville hatte nicht die Absicht, seine Unfreundlichkeit mit Empfehlungen oder Referenzen zu belohnen. Sollte er doch zum Teufel gehen, wenn er meinte, er könnte seinen Arbeitgeber so unverschämt beschimpfen. Und seine Nervensäge von Frau konnte er gleich mitnehmen!
     
    Das amputierte Bein fiel vom Tisch und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Küchenboden auf. Gordon keuchte wie eine Frau in den Wehen. Während der gesamten Operation war er bei Bewusstsein geblieben, weil er fürchtete, sich erneut Peter Duffy stellen zu müssen, wenn er in Ohnmacht fiel.
    »Es ist vorbei«, flüsterte Mary ihm ins Ohr, während sie seine Stirn mit einem feuchten Tuch abtupfte. »Der Doktor hat ausgezeichnete Arbeit geleistet.«
    »Bitte«, flüsterte er mit heiserer Stimme, »lassen Sie das Bein neben Peter Duffys Grab da draußen in die Erde legen.«
    Sie nickte. Für sie klang die Bitte nicht merkwürdig. »Einer meiner Männer wird das für Sie erledigen«, sagte sie sanft, während sie ihm weiter die Stirn abwischte. Der Doktor vernähte nun die Wunde.
    Die scharfen Nadelstiche spürte Gordon nach den entsetzlichen Schmerzen der Amputation kaum noch. Unterdessen hielten die beiden eingeborenen Polizisten möglichst viel Abstand von dem Tisch und warfen sich nervöse Blicke zu. Dass der Inspektor das Bein neben Peter Duffy begraben lassen wollte …
    »Sie sollten ein wenig frische Luft schnappen, Missus Cameron«, empfahl der Arzt. »Ich bin hier so gut wie fertig.«
    »Dann werde ich nach Matilda und dem Jungen sehen«, erwiderte sie. »Eines der Hausmädchen soll Tee für uns kochen. Wir können Mister James in das Zimmer legen, in dem Mister White untergebracht war.«
    »Gute Idee«, lobte der Doktor, der seine Säge eben in einer Emailschüssel wusch. »Die nächsten Tage werden für den Inspektor entscheidend sein. Wenn die Wunde sauber bleibt, überlebt er. Vor meiner Rückkehr nach Balaclava werde ich nach dem anderen jungen Mann sehen. Wenn ich noch länger im Land bleibe, werde ich mein Pensionistendasein wohl aufgeben müssen. Die Zahl der Patienten scheint von Minute zu Minute zuzunehmen.«
    Mary fand Matilda auf einem Stuhl neben Willies Bett. Die Vorhänge waren zugezogen, und der Raum lag in düsterem Dämmerlicht. Es war offenkundig, dass Matildas Aufgabe als Krankenschwester zu Ende war. Der Doktor würde nicht mehr nach seinem Patienten sehen müssen.
    »Sein Geist findet keine Ruhe«, sagte Matilda leise. Sie blickte zu der neben ihr stehenden Mary auf. »Seine Seele sucht nach einem Mann. Einem bösen Mann.«
    Dann berichtete sie Mary alles, was Willie ihr vor seinem letzten Atemzug erzählt hatte. Gebannt lauschte Mary der unglaublichen Geschichte.
     
    Granville beobachtete, wie sich der Einspänner des Agenten dem Haus näherte. Der Mann winkte ihm gut gelaunt zu, und Granville war nur allzu froh, ihn zu sehen. Endlich konnte er diesen schrecklichen Ort verlassen!
    Im Bewusstsein, dass er binnen weniger Minuten nach Rockhampton unterwegs sein würde, erhob er sich aus seinem Sessel auf der breiten Veranda. Von dort aus würde er auf dem Seeweg nach Sydney reisen. Er bezweifelte, dass er jemals wieder nach Queensland kommen würde. Für seinen Geschmack war es hier ohnehin viel zu heiß! Die Haustür öffnete sich, und Missus Cameron erschien mit einem seltsamen Gesichtsausdruck auf der Veranda.
    »Sie brauchen mich nicht zu verabschieden, Missus Cameron«, sagte Granville, der sich ihrer Abneigung vollauf bewusst war, steif. »Eine solche Geste der Höflichkeit könnte sich für uns beide als lästig erweisen.«
    »Deswegen bin ich nicht hier, Mister White«, erwiderte sie. »Ich wollte nur fragen, ob Sie dem jungen Mann, den Sie getötet haben, nicht die Ehre erweisen wollen, bevor Sie Glen View verlassen.«
    »Das dürfte nicht erforderlich sein«, schnaubte Granville verächtlich. »Der Kerl ist tot, und seine kriminellen Aktivitäten verdienen wohl kaum

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