Auf den Hund gekommen
Wagen einholte, drehte sich der Mann um, lächelte und hob die Hand. Ein warmes, offenes Lächeln in einem sehr braunen Gesicht. Ein vierzigjähriges Gesicht, dachte ich, darunter ein brauner Hals, der weder Schlips noch Kragen kannte, statt dessen ein ausgeblichenes gestreiftes Hemd, das offen über der bloßen Brust hing – und das an einem so kalten Tag.
Unwillkürlich fragte ich mich, wer oder was dieser Mann war. Die abgetragene wildlederne Golfjacke, die Cordhosen und robusten Stiefel gaben nicht viel Aufschluß. So mancher mochte ihn als schlichten Landstreicher bezeichnen, doch die geschäftige, vitale Ausstrahlung paßte nicht zu diesem Urteil.
Ich kurbelte das Fenster herunter, und der scharfe Märzwind von Yorkshire kniff mir in die Wangen.
»Frisch heute morgen«, sagte ich.
Der Mann schien erstaunt. »Jawoll«, antwortete er nach kurzer Überlegung. »Jawoll, ist es wohl.«
Ich sah mir den Kinderwagen an, alt und rostig, und das große Tier, das aufrecht darin saß. Es war ein Lurcher, eine Greyhound-Kreuzung, der meinen Blick mit ruhiger Würde erwiderte.
»Schöner Hund«, sagte ich.
»Jawoll, das ist Jake.« Der Mann lächelte wieder und entblößte gesunde, gerade Zähne. »Pfundskerl.«
Ich winkte und fuhr weiter. Im Rückspiegel sah ich die kräftige Gestalt forsch weiterschreiten, erhobenen Hauptes, mit straffen Schultern, und Jake, riesig und gescheckt, der wie eine Statue mitten aus dem Kinderwagen emporragte.
Es dauerte nicht lange, bis ich das ungewöhnliche Paar erneut traf. Ich untersuchte gerade die Zähne eines Zugpferdes auf einem Hof, als ich am Hang hinter dem Stall eine Gestalt neben einer Trockenmauer knien sah, neben ihr ein Kinderwagen und ein großer Hund, der geduldig im Gras saß.
»Ah, einen Moment«, ich deutete zum Hügel hinauf, »wer ist das?«
Der Farmer lachte. »Das ist Roddy Travers. Kennen Sie den nicht?«
»Nein. Wir haben neulich ein paar Worte gewechselt, unterwegs, das ist alles.«
»So so, unterwegs.« Er nickte vielsagend. »Da trifft man Roddy immer an, ja ja.«
»Aber was ist das für einer? Woher kommt er?«
»Irgendwoher aus Yorkshire, aber wo genau, weiß ich nicht, und das weiß wohl auch kein andrer. Nur eins kann ich Ihnen sagen: Der hat ein Händchen für alles.«
»Ja«, sagte ich und sah dem Mann dabei zu, wie er fachmännisch die flachen Natursteinquader einfügte, um ein Loch in der Mauer zu reparieren. »Es gibt nicht viele, die so etwas noch können.«
»Ganz genau. Eine seltene Fertigkeit, stirbt aus, aber Roddy hat ein Händchen dafür. Der kann noch viel mehr – Hecken schneiden, Gräben ausheben, Schafe hüten, ist ihm alles eins.«
Ich nahm die Zahnfeile zur Hand und fing an, dem Pferd ein paar scharfe Kanten an den Backenzähnen wegzufeilen. »Und wie lange bleibt er hier?«
»Ach, wenn der mit der Mauer fertig ist, geht er wieder. Könnt ihn noch ein bißchen brauchen, aber der bleibt nie lang an einem Fleck.«
»Ist er denn nicht irgendwo zu Hause?«
»Nee, nee.« Der Farmer lachte wieder. »Roddy doch nicht. Alles, was der hat, ist in dem Kinderwagen.«
In den folgenden Wochen, als der rauhe Frühling auftaute und der Sonnenschein bunte Primelsprenkel auf die Wiesen zauberte, sah ich Roddy recht oft, mal unterwegs, dann wieder schwer am Schaufeln, bei den Gräben am Rande der Felder. Und Jake war immer dabei, trottete entweder neben ihm her oder sah ihm bei der Arbeit zu. Doch so richtig lernten wir uns erst kennen, als ich Mr. Pawsons Schafe impfte.
Dreihundert Stück hatte ich zu versorgen, die grüppchenweise in ein kleines Gehege getrieben und dort von Roddy eingefangen und festgehalten wurden. Wie ich gleich erkannte, war er auch darin Experte. Die wilden Schafe schossen an ihm vorbei wie Kanonenkugeln, doch er packte sie mühelos beim Fell und hob das Vorderbein an, um jene glatte, saubere Hautpartie hinter dem Ellbogen freizulegen, die die Natur für die Nadel des Tierarztes geschaffen zu haben scheint.
Weiter draußen, auf einer windigen Böschung, saß der große Lurcher aufrecht in seiner typischen Haltung, sah mit mäßigem Interesse den Farmhunden zu, wie sie geschäftig ums Gehege strichen, hielt sich jedoch dem Treiben vollkommen fern.
»Den haben Sie gut erzogen«, sagte ich. Roddy lächelte. »Ja, Jake rennt nicht rum und geht den Leuten auf die Nerven. Er weiß, daß er da zu sitzen hat, bis ich fertig bin, und da sitzt er.«
»Und zufrieden mit seinem Los, so, wie er aussieht.« Wieder blickte
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