Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
ich zu dem Hund hinüber, ein Bild der Gelassenheit. »Der hat bestimmt ein schönes Leben, wenn er so mit Ihnen herumzieht.«
    »Recht haben Sie«, mischte sich Mr. Pawson ein, der soeben den nächsten Trupp Schafe ins Gehege trieb. »Keine Sorge auf der Welt, wie sein Herrchen.«
    Roddy sagte nichts. Als die Schafe hereingeströmt kamen, streckte er sich und atmete tief ein. Er hatte hart gearbeitet, kleine Schweißrinnsale liefen ihm über die Schläfen, doch als er seinen Blick über die Weite der Moorlandschaft schweifen ließ, konnte ich dann eine heitere Gelassenheit ablesen. Schließlich sagte er: »Schätze, Sie haben recht. Wenig Sorgen, Jake und ich.« Mr. Pawson grinste spitzbübisch. »Teufel, Roddy, ein wahres Wort. Keine Frau, keine Kinder, keine Lebensversicherung, kein überzogenes Konto – was für ein friedliches Leben.«
    »Schon richtig«, stimmte Roddy zu. »Aber auch kein Geld.« Der Farmer sah ihn prüfend an. »Hm, so was. Wär Ihnen nicht wohler, wenn Sie ein bißchen was auf der Seite hätten?«
    »Nee, nee. Kann man ja nicht mitnehmen, und überhaupt, solang man genug zum Leben hat, reicht’s.«
    Sehr originell waren seine Worte nicht, doch sie sind mir ein Leben lang im Gedächtnis geblieben, weil sie aus seinem Munde kamen und so voller Überzeugung klangen.
    Als ich die Impfungen abgeschlossen hatte und die Mutterschafe wieder glücklich dem offenen Gelände zustrebten, wandte ich mich an Roddy. »Vielen Dank! Es erleichtert die Arbeit enorm, wenn man jemand so Fachkundiges zur Seite hat.« Ich zog eine Packung Gold Flake heraus. »Zigarette?«
    »Nein, danke, Mr. Herriot. Ich rauche nicht.«
    »Nein?«
    »Nein – trinken tu ich auch nicht.« Und wieder erschien dieses sanfte Lächeln, und wieder war da diese Ausstrahlung körperlicher und geistiger Reinheit. Kein Alkohol, kein Nikotin, ständige Bewegung an der frischen Luft, kein Ehrgeiz, kein Besitz – dies alles kam in dem klaren Blick, der gesunden Haut und der athletischen Figur zum Ausdruck. Er war nicht sehr groß, aber er wirkte unbezwingbar.
    »Auf, Jake, Abendessen«, sagte er, und der große Lurcher sprang entzückt um ihn herum. Ich ging hinüber und sprach mit dem Hund, der so heftig mit dem Schwanz wedelte, daß der gesamte Körper hin- und herschlug. Das hübsche Gesicht blickte voller Freundlichkeit zu mir auf.
    Ich strich ihm über den langen, schmalen Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. »Er ist wunderschön, Roddy – ein Pfundskerl, wie Sie sagen.«
    Ich ging zum Haus, um mir die Hände zu waschen, und bevor ich hineinging, drehte ich mich noch einmal zu den beiden um. Sie saßen im Schutz einer Mauer. Roddy breitete eine Thermosflasche und ein Butterbrotpaket aus, wobei ihm Jake begierig zuschaute. Die heiße, helle Sonne knallte auf sie nieder, der Wind pfiff oberhalb der Mauer über sie hinweg. Die beiden sahen rundum behaglich und zufrieden aus.
    »Der hat seinen eigenen Kopf«, sagte die Farmersfrau, als ich in der Küche am Waschbecken stand. »Er könnt gern reinkommen zum Essen, aber der bleibt lieber draußen bei seinem Hund.«
    Ich nickte. »Wo schläft er denn, wenn er so auf einer Farm arbeitet?«
    »Ach, überall«, antwortete sie. »Im Heuschober oder auf dem Speicher, manchmal auch draußen. Hier schläft er aber immer oben in einem unserer Zimmer. Alle Farmer hier würden ihn ganz bestimmt bei sich wohnen lassen, denn er ist immer makellos sauber.«
    »Verstehe.« Ich zog ein Handtuch hinter der Tür hervor. »Ein bemerkenswerter Kauz, nicht?«
    Sie lächelte nachdenklich. »Na ja, das ist er. Nur er und sein Hund!« Sie zog ein Blech mit heißem Braten aus dem Ofen und stellte es auf den Tisch. »Aber eins sag ich Ihnen. Der ist in Ordnung. Alle mögen Roddy Travers – ein wirklich netter Mann.«
    Roddy blieb den ganzen Sommer über im Darrowby District, und ich gewöhnte mich daran, ihn auf den Farmen oder unterwegs mit dem Kinderwagen zu sehen. Bei Regen trug er einen abgewetzten langen Mantel, sonst jedoch immer Cordhose und Golfjacke. Ich weiß nicht, woher seine Garderobe stammte – es war aber kaum anzunehmen, daß er je in seinem Leben einen Golfplatz betreten hatte.
    Eines frühen Morgens Anfang Oktober sah ich ihn auf einem Bergpfad. Die Nacht über hatte es klirrenden Frost gegeben, und die dichten Weiden jenseits der Mäuerchen waren von gnadenlosem Weiß überzogen, jeder einzelne Grashalm von Reif umhüllt.
    Ich war bis zu den Augen eingemummelt und trommelte mit den

Weitere Kostenlose Bücher