Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
sondern war den ganzen Tag mit den anderen Hunden zusammen und nahm an ihren freundschaftlichen Raufereien teil. Er fand das herrlich, wenn er hin- und hergestoßen, geknufft und gepufft wurde. So entwickelte er sich sehr bald zu einem akzeptierten Mitglied der Meute, zu einem entzückenden, seidigen kleinen Geschöpf, das bei den Mahlzeiten wie ein Tiger um seinen Anteil kämpfte und nachts im alten Hühnerstall auf Rattenjagd ging. Er hatte noch nie soviel Spaß gehabt.
    Währenddessen stand Mrs. Pumphrey schreckliche Ängste aus und rief täglich mindestens zehnmal an, um das neueste Bulletin zu erfahren. Ich wich ihren Fragen aus, ob seine Kissen auch regelmäßig gewendet würden und er je nach dem Wetter den richtigen Mantel trüge. Aber ich konnte ihr berichten, daß ihr kleiner Liebling ganz außer Gefahr sei und sich zusehends erhole.
    Das Wort ›erholen‹ löste bei Mrs. Pumphrey eine Lawine nahrhafter Liebesbezeigungen aus. Sie brachte regelmäßig frische Eier herüber, jedesmal zwei Dutzend, um Tricki zu kräftigen. Eine Zeitlang gab es für jeden von uns zwei Eier zum Frühstück, aber erst als die Flaschen mit Sherry eintrafen, dämmerte es uns, was für ungeahnte Möglichkeiten sich hier boten.
    Der Sherry war von demselben köstlichen Jahrgang, den ich so gut kannte, und er sollte Trickis Blut anreichern. Der Lunch wurde jetzt eine feierliche Angelegenheit mit zwei Glas Sherry vor und weiteren während der Mahlzeit. Siegfried und Tristan wetteiferten in Trinksprüchen auf Trickis Gesundheit, und das Niveau ihrer Reden steigerte sich mit jedem Tag. Mir als Trickis Onkel oblag es, die Toasts zu erwidern.
    Wir trauten unseren Augen nicht, als der Brandy kam. Zwei Flaschen Cordon Bleu, die Trickis Konstitution den letzten Schliff geben sollten. Siegfried brachte von irgendwoher bauchige Gläser zum Vorschein, die seiner Mutter gehörten.
    Mehrere Abende lang schwenkten wir in ihnen den köstlichen Alkohol und atmeten den Duft ein, bevor wir den Brandy ehrfurchtsvoll schlürften.
    Die Versuchung, Tricki als Dauergast zu behalten, war groß, aber ich wußte, wie sehr Mrs. Pumphrey litt, und so fühlte ich mich nach zwei Wochen verpflichtet, ihr telefonisch mitzuteilen, Tricki sei wieder wohlauf und könne jederzeit abgeholt werden.
    Wenige Minuten später fuhren dreißig Fuß glänzendes schwarzes Metall vor. Der Chauffeur riß den Wagenschlag auf, und ich konnte undeutlich die Gestalt von Mrs. Pumphrey erkennen, die sich im Innern des großen Wagens fast verlor. Sie hatte die Hände ineinandergekrampft, und ihre Lippen bebten. »Mr. Herriot, bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Geht es ihm wirklich besser?«
    »Ja, es geht ihm ausgezeichnet. Bleiben Sie ruhig sitzen – ich hole ihn.«
    Ich ging durch das Haus in den Garten. Die Hunde tollten auf dem Rasen umher, und der goldfarbene winzige Tricki jagte mit flatternden Ohren und wedelndem Schwanz bald hierhin, bald dorthin. Binnen zwei Wochen hatte er sich in ein gelenkiges Tier mit festen Muskeln verwandelt. Er hielt prächtig mit der Meute Schritt und streckte sich bei den großen Sprüngen so sehr, daß seine Brust fast den Boden streifte.
    Ich trug ihn durch den langen Korridor nach vorn. Der Chauffeur hielt noch immer die Wagentür offen. Als Tricki seine Herrin sah, sprang er mit einem gewaltigen Satz von meinem Arm und sauste auf Mrs. Pumphreys Schoß. »Ooooh!« rief sie erschrocken, und dann mußte sie sich wehren, weil Tricki sie mit Zärtlichkeiten förmlich überschwemmte.
    Während dieser Wiedersehensszene half ich dem Chauffeur, die Betten, Kissen, Mäntelchen, Freßnäpfe und Spielsachen herauszutragen – nichts davon war benutzt worden. Als der Wagen anfuhr, beugte sich Mrs. Pumphrey aus dem Fenster. Sie hatte Tränen in den Augen, und ihre Lippen zitterten.
    »Lieber Mr. Herriot«, rief sie, »wie kann ich Ihnen nur danken? Dies ist ein Triumph der ärztlichen Kunst!«

5 - Jake, der Spazierfahrer
     
    IN DER STADT IST ES WOHL NICHTS Ungewöhnliches, einen Mann mit Kinderwagen zu sehen, doch auf einer einsamen Heidemoorstraße schaut man durchaus zweimal hin – zumal wenn sich im Kinderwagen ein großer, grauer Hund befindet.
    Eben dieser Anblick bot sich mir eines Morgens in den Bergen über Darrowby, und ich verlangsamte meine Fahrt, als ich an den beiden vorüberkam. Mir war dieses eigenwillige Gespann bereits zuvor aufgefallen, mehrmals in den vergangenen Wochen; offensichtlich waren Mann und Hund neu in dieser Gegend.
    Als ihn der

Weitere Kostenlose Bücher