Auf den Hund gekommen
Pracht. Während ich ihn mir noch überrascht betrachtete, stellte er sich auf die Hinterbeine, legte mir die Vorderpfoten auf die Brust und sah mich an. Und in seinen Augen las ich die gleiche ruhige und vertrauensvolle Zuneigung wie damals in dem dunklen, stinkigen Schuppen.
»Mrs. Donovan«, sagte ich leise, »er ist der schönste Hund in ganz Yorkshire.« Und dann, weil ich wußte, daß sie darauf wartete: »Das kommt bestimmt nur von diesen wundervollen Stärkungsmitteln. Was tun Sie da bloß hinein?«
»Ja, das möchten Sie gerne wissen, nicht wahr?« Sie warf den Kopf zurück und lächelte kokett zu mir auf – es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte ihr mitten auf der Straße einen Kuß gegeben.
Mrs. Donovan wurde für ihre Mühe reich belohnt: Sie hatte in Roy einen treuen Gefährten, mit dem sie stets zusammen war. Aber es war noch etwas anderes: Sie hatte von jeher das Bedürfnis gehabt, Tieren zu helfen, und Roys Rettung war der Höhepunkt ihres Lebens – ein strahlender Triumph, der niemals verblaßte.
Und noch Jahre später fragte sie mich jedesmal, wenn wir uns begegneten, so als sei alles erst gestern geschehen: »Mr. Herriot, hab ich nicht einen anderen Hund aus ihm gemacht?«
8 - Tricki Woo, der Wettprofi
NACH EINEM KALTEN MORGEN in den Feldern hatte ich nur noch einen Termin vor mir. Auf dem ansteigenden Weg konnte ich nach und nach die Kirchturmspitze und die Dächer von Darrowby ausmachen und schließlich, am Ende des Städtchens, auch die Pforte zu Mrs. Pumphreys einladendem Anwesen. Ich sah auf die Uhr – zwölf Uhr mittags. Ausgiebige Erfahrung hatte mich gelehrt, meine Besuche bei Mrs. Pumphrey auf die Zeit kurz vor dem Lunch zu legen, wenn ich der harten Arbeit auf dem Land entfliehen und mich für ein Weilchen von der älteren Witwe verwöhnen lassen konnte, deren Bekanntschaft ich schon so lange genoß.
Unwillkürlich mußte ich lächeln, als Tricki Woo zur Begrüßung am Fenster erschien, während meine Räder über den Kies der Einfahrt knirschten. Er war alt geworden, aber bis zu seinem Aussichtspunkt schaffte er es noch, und sein Pekinesengesicht war ein einziges Willkommensgrinsen. Als ich die Stufen zwischen den beiden Säulen hinaufstieg, sah ich, daß Tricki Woo inzwischen seinen Fensterplatz verlassen hatte, und schon hörte ich sein freudiges Bellen in der Eingangshalle. Ruth, das langjährige Dienstmädchen, öffnete mir die Tür und lächelte entzückt, als Tricki im Fluge meine Knie ansteuerte.
»Uhhh, ist der froh, Sie zu sehen, Mr. Herriot«, sagte sie und legte dabei eine Hand auf meinen Arm. »Wie wir alle!«
Sie führte mich in den großzügigen Salon, wo Mrs. Pumphrey in einem Sessel am Kamin saß. Sie erhob das weiße Haupt von ihrem Buch und rief in hellem Entzücken aus: »Oh, Mr. Herriot, wie reizend! Tricki, ist es nicht wunderbar, Onkel Herriot wieder einmal zu Besuch zu haben?«
Sie bedeutete mir, mich ihr gegenüber in einen Sessel zu setzen. »Ich habe Sie zu Trickis Routineuntersuchung hergebeten, aber vorher müssen Sie sich setzen und ein wenig aufwärmen. Was für eine Kälte dort draußen! Ruth, sei so lieb und bring Mr. Herriot einen Sherry. Sie sagen doch nicht nein, oder, Mr. Herriot?«
Ich murmelte meinen Dank. Wie konnte ich jemals nein sagen zu dem hochkarätigen Sherry, der stets in überdimensionalen Gläsern gereicht wurde und allzeit das Herz erquickte, besonders jedoch an kalten Tagen. Ich ließ mich ins Polster sinken und streckte die Beine zum Feuer aus, das im Kamin loderte, und als ich den ersten Schluck zu mir nahm und Ruth ein Schälchen mit Cocktailplätzchcn neben meinem Sessel deponierte, während der kleine Hund auf meine Knie kletterte, fühlte ich mich rundum behaglich.
»Tricki ist seit Ihrem letzten Besuch in bester Verfassung«, sagte Mrs. Pumphrey. »Ich weiß, daß er immer ein wenig ungelenk sein wird wegen seiner Arthritis, aber er kann sich wunderbar bewegen, und sein kleiner Husten ist auch nicht schlimmer geworden. Und das beste überhaupt«, sie schlug die Hände zusammen und sandte einen Blick in die Höhe, »es hat nicht mehr bei ihm gebockt. Nicht ein einziges Mal! Also brauchen Sie meinen armen Liebling möglicherweise gar nicht zu drücken.«
»Nein, natürlich nicht. Auf gar keinen Fall. Das tu ich nur, wenn er es wirklich dringend braucht.« Viele Jahre schon drückte ich Tricki Woos Gesäß, wann immer seine Afterdrüsen verstopft waren – ein Leiden, das sein Frauchen so bildhaft umschrieb.
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