Auf den Hund gekommen
wohl.«
Die alte Mrs. Donovan war eine Person, die man wirklich überall traf. Ganz gleich, was in Darrowby vor sich ging – Hochzeiten, Beerdigungen, Hausversteigerungen –, stets sah man unter den Zuschauern die untersetzte Gestalt mit dem auffallend dunklen Teint und den lebhaften Knopfaugen, die alles begierig in sich aufnahmen. Und immer hatte sie ihren Terrier dabei.
Mrs. Donovans Alter war schwer zu schätzen. Sie konnte alles sein zwischen fünfundfünfzig und fünfundsiebzig. Ihre Vitalität glich der einer jungen Frau. Viele Leute in Darrowby spotteten über sie, doch von anderen wurde sie als eine Art Tierdoktor angesehen. »Der junge Doktor Herriot«, pflegte sie zu den Hunde- und Katzenbesitzern zu sagen, »mag ja für Rinder und Schafe ganz nützlich sein, aber von Kleintieren versteht er nichts.«
Über deren Leiden konnte sie stundenlang reden, und sie verfügte über ein ganzes Arsenal von Medikamenten und Heilmitteln: ihre Hauptspezialität waren die Wunder wirkenden Stärkungsmittel und ein Hundeshampoo von unvergleichlichem Wert für die Verbesserung des Fells. Da sie den lieben langen Tag auf Achse war, begegnete ich ihr häufig, und sie lächelte stets liebenwürdig zu mir empor.
Es lag jedoch kein Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie eines Nachmittags, während Siegfried und ich gerade beim Tee saßen, in die Praxis gestürzt kam.
»Mr. Herriot!« stieß sie hervor, »können Sie kommen? Mein kleiner Hund ist überfahren worden!«
Ich sprang sofort auf, packte sie in den Wagen und fuhr mit ihr los. Starr vor sich hin blickend, die Hände fest um die Knie geklammert, saß sie neben mir.
»Er hat sich sein Halsband abgestreift und ist vor einen Wagen gelaufen«, murmelte sie. »Er liegt vor der Schule in der Cliffend Road. Bitte, beeilen Sie sich.«
Ich war in drei Minuten dort, aber als ich mich über den staubigen kleinen Körper beugte, sah ich sofort, daß es nichts gab, was ich hätte tun können. Der zusehends glasig werdende Blick, das Röcheln, die fahle Blässe der Schleimhäute – das alles bedeutete nur eines.
Ganz vorsichtig schob ich meine Linke unter das kleine Tier, um es behutsam aufzuheben, aber noch während ich das versuchte, hörte die Atmung auf, und seine Augen brachen.
Mrs. Donovan kniete neben ihm nieder und streichelte sanft das rauhe Fell. »Er ist tot, nicht wahr?« flüsterte sie schließlich.
»Ja«, sagte ich.
Ich nahm ihren Arm, führte sie zum Wagen und half ihr beim Einsteigen. »Setzen Sie sich«, sagte ich. »Ich kümmere mich darum und bringe Sie dann nach Hause.«
Ich wickelte den Hund in meinen Overall und legte ihn in den Kofferraum. Dann fuhr ich los. Erst als wir vor ihrem Haus hielten, fing Mrs. Donovan an zu weinen. Ich wartete schweigend, bis sie sich wieder gefaßt hatte.
»Armer kleiner Rex«, sagte sie.
»Ich weiß nicht, was ich ohne ihn anfangen werde. Wir haben ja doch ein langes Stück Weg zu sammen zurückgelegt.«
»Ja, das ist wahr. Er hat ein herrliches Leben gehabt, Mrs.
Donovan. Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf – schaffen Sie sich wieder einen Hund an. Sie kommen sich sonst so verloren vor.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Dafür hat mir Rex viel zuviel bedeutet. Ich brächte es nicht fertig, einen andern seinen Platz einnehmen zu lassen.«
»Das kann ich gut verstehen. Und ich möchte bestimmt nicht gefühllos erscheinen – aber ich glaube doch, daß es ein guter Ratschlag ist.«
»Nein, Mr. Herriot, ich will keinen Hund mehr haben. Rex war jahrelang mein treuer Freund, und ich werde ihn nie vergessen. Er soll der letzte Hund bleiben, den ich hatte.«
Ich sah Mrs. Donovan danach noch oft auf der Straße, und sie wirkte unverändert rüstig, machte aber ohne den kleinen Hund an der Leine einen merkwürdig unvollständigen Eindruck. Aber es vergingen mehrere Wochen, ehe ich ihr persönlich wieder begegnete.
Es war an dem Nachmittag, als Mr. Halliday vom Tierschutzverein mich anrief.
»Ich wollte Sie bitten, sich einen Hund anzusehen, Mr. Herriot«, sagte er. »Es handelt sich um einen ziemlich schlimmen Fall von Tierquälerei.«
»Einverstanden. Wann und wo sollen wir uns treffen?«
Er nannte mir den Namen einer Zeile von alten Backsteinhäusern unten am Fluß und sagte, daß er in einer halben Stunde dort sein werde.
Halliday wartete auf mich.
»Er ist dort drinnen«, sagte er und steuerte auf eine Tür in der breiten, zerbröckelnden Mauer zu. Ein paar Leute lungerten neugierig
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