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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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herum, und ich war nicht weiter überrascht, als ich Mrs. Donovans braunes Zwergengesicht entdeckte. Es wäre ja auch seltsam gewesen, wenn sie sich ein Ereignis wie dieses hätte entgehen lassen, dachte ich.
    Wir gingen durch die Tür und gelangten in einen langgestreckten Garten. Mir war schon oft aufgefallen, daß es in Darrowby hinter jedem Haus, und sei es noch so ärmlich, ein schmales Stück Land gab, wo die Leute für gewöhnlich ein Schwein und ein paar Hühner hielten und man oft außer Gemüsebeeten hübsche Blumenrabatten antraf.
    Doch in diesem Garten hier herrschte eine trostlose Öde.
    Halliday ging auf einen baufälligen, fensterlosen Holzschuppen zu. Er holte einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete das Vorhängeschloß und zog die Tür ein Stück weit auf. In der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen: mehrere zerbrochene Gartengeräte standen herum, eine alte Mangel, unzählige Blumentöpfe und angebrochene Farbbüchsen. Und ganz hinten an der Wand saß regungslos ein Hund.
    Als ich zu ihm hinging, sah ich, daß es ein großes Tier war, das aufrecht dasaß, das Halsband mit einer Kette an einem Ring in der Wand befestigt. Ich hatte schon wiederholt magere Hunde gesehen, aber eine Auszehrung dieses Ausmaßes war mir bisher nur auf Abbildungen in meinen Anatomiebüchern begegnet; nirgendwo sonst noch hatte ich mit derart erschreckender Deutlichkeit die Knochen von Becken, Gesicht und Brustkasten hervortreten sehen.
    Eine tiefe Aushöhlung im Erdboden zeigte, wo er gelegen, sich umherbewegt, ja sozusagen lange Zeit hindurch gelebt hatte.
    Der Anblick des Tieres erschütterte mich so tief, daß ich alles übrige – die schmutzigen Fetzen Sackleinwand, die Schüssel mit abgestandenem Wasser – nur halbwegs in mich aufnahm.
    »Sehen Sie sich sein Hinterteil an«, murmelte Halliday.
    Ich hob den Hund behutsam aus seiner sitzenden Stellung und merkte, daß der Gestank, der mir schon beim Hereinkommen aufgefallen war, nicht allein von den Kothaufen herrührte. Das Gesäß war über und über mit brandig gewordenen Druckwunden bedeckt. Auch längs des Brustbeins und der Rippen waren solche Verletzungen zu sehen.
    Das Fell, ursprünglich wohl von einem stumpfen Gelb, war filzig und schmutzverkrustet.
    »Soviel ich weiß, ist er aus diesem Schuppen hier nie herausgekommen«, sagte mein Begleiter. »Er ist noch jung – etwa ein Jahr alt. Irgend jemand hat das Tier wimmern gehört, sonst hätte man es nie erfahren.«
    Ich mußte gegen eine plötzliche Übelkeit ankämpfen. Es war nicht der Geruch, es war der Gedanke an dieses geduldige Tier, das seit einem Jahr hungrig und verlassen hier in Dunkelheit und Schmutz hockte. Ich blickte wieder auf den Hund und sah in seinen Augen nur ruhiges Vertrauen.
    »Nun, Mr. Halliday, wer auch immer dafür verantwortlich ist, ich hoffe, Sie werden ihn zur Rechenschaft ziehen«, sagte ich.
    »Da ist leider nicht viel zu machen«, brummte er. »Der Besitzer kann verminderte Zurechnungsfähigkeit in Anspruch nehmen. Ein richtiger Schwachsinniger. Lebt mit seiner alten Mutter zusammen, die kaum weiß, was vor sich geht. Ich habe mir den Burschen angesehen; anscheinend hat er dem Tier hin und wieder einen Bissen hingeworfen, wenn ihm gerade danach war, aber mehr auch nicht. Man wird ihm eine Geldstrafe aufbrummen und ihm verbieten, je wieder ein Tier zu halten – aber das ist auch alles.«
    »Ich verstehe.« Ich streichelte den Kopf des Hundes. Sofort legte er mir die Pfote aufs Handgelenk. Eine rührende Würde lag in der Art, wie er aufrecht dasaß und mich mit seinen ruhigen Augen freundlich und furchtlos ansah.
    »Machen Sie doch bitte die Tür einmal weit auf, damit ich ihn besser sehen kann.«
    In dem hellen Tageslicht, das jetzt hereindrang, konnte ich ihn gründlicher untersuchen. Tadellose Zähne, gutproportionierte Gliedmaßen mit einer gelben Haarfranse. Ich hielt das Stethoskop an seine Brust, und während ich auf das langsame, kräftige Pochen des Herzens lauschte, legte der Hund abermals eine Pfote auf meine Hand.
    Ich wandte mich an Halliday. »Sie werden es nicht glauben, in diesem Hund, der ja wirklich nur aus Haut und Knochen besteht, steckt ein gesunder goldfarbener Retriever.«
    Hinter dem breiten Rücken Mr. Hallidays bemerkte ich plötzlich eine zweite Gestalt im Türrahmen. Mrs. Donovans Neugier hatte also die Oberhand gewonnen. Ich tat, als hätte ich sie nicht gesehen.
    »Wissen Sie, was dieser Hund als erstes braucht? Eine Wäsche mit einem guten

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