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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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war ich für verschiedene Firmen tätig. Unter anderem in der Genforschung.«
    »Aber Sie haben Wirtschaft studiert, nicht wahr?«
    Raske schien über die Frage nachdenken zu müssen. »Ja«, sagte er dann. »Aber mein Tätigkeitsfeld war immer die medizinische Forschung. Auch da müssen Kosten und Gewinn kalkuliert werden.« Er lächelte. »Hier habe ich mich leider etwas verrechnet.«
    »Na ja. Vielleicht werden die Zeiten wieder besser.«
    »Sie sagen es.« Raske sah auf die Armbanduhr und erhob sich. »Es wird Zeit. Wenn ich etwas für Sie tun kann, sagen Sie Bescheid, ja?«
    »Darf ich das nächste Mal mit, wenn Sie zum Festland fahren?«
    »Brauchen Sie denn etwas?«
    »Ein Buch über die Tier- und Pflanzenwelt der Philippinen. Sie können es mir vom Lohn abziehen.«
    »Das dürfte etwas problematisch sein. So etwas Ungewöhnliches zu finden, meine ich.«
    »Natürlich. Das war dumm von mir.«
    »Keineswegs. Ich werde versuchen, das Buch zu besorgen.«
    »Das kann ich doch machen. Gibt es denn da, wo Sie hinfahren, eine Buchhandlung?«
    Raske lachte. »Ich fürchte, nein. Sie müssen sich den Ort sehr klein und sehr, wie soll ich sagen, provinziell vorstellen.«
    »Klingt wie der Ort, wo ich aufgewachsen bin.«
    »Das bezweifle ich. Es sei denn, Sie sind in einem armseligen, schmutzigen und nicht ungefährlichen Kaff groß geworden. Jedenfalls sollten Sie nicht mitfahren, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
    »Nein. So wichtig ist dieses Buch nicht.« Megan kam sich jetzt tatsächlich ein wenig dumm vor, was vielleicht auch daran lag, dass sie das Gefühl hatte, Raske behandle sie wie ein Kind.
    »Wie gesagt, ich werde sehen, was ich tun kann.« Raske trat vom Schatten in die Sonne und drehte sich zu Megan um. »Ist Ester da?«
    »Ich glaube ja.« Megan wusste, dass Ester in ihrer Unterkunft war, hielt es aber für besser, Raske gegenüber so zu tun, als kümmerte es sie nicht, wo ihre Nachbarin sich gerade aufhielt. Dass sie die Nacht zusammen verbracht hatten, die zweite schon, musste niemand auf der Insel erfahren, Raske am allerwenigsten.
    Raske ging die paar Schritte zu Ester hinüber und klopfte. Als die Tür geöffnet wurde, trat er ein.
    Megan widerstand dem Verlangen, zur Rückseite der Gebäude zu schleichen und an Esters Fenster zu lauschen, räumte die Malutensilien weg und zog sich um. Sie besaß zwei Paar Hosen, von denen eine sich bereits in bedenklichem Zustand befand, zwei Hemden, das eine mit zerrissenem Ärmel, drei T-Shirts, von denen zwei noch einigermaßen vorzeigbar waren, und ausreichend Socken, Slips und Büstenhalter. Irgendwann würde sie mit Raske zum Festland fahren müssen, dachte sie, ob es ihm passte oder nicht.
    Sie wusch ein paar Sachen mit Seife und hängte sie in die Sonne. Dann stellte sie sich ans Fenster und wartete. Weil ihre Uhr kaputt war, zählte sie stumm. Etwa zehn Minuten später ging Raske. Megan sah ihm nach, wie er hinter der Wegbiegung verschwand, und setzte sich aufs Bett, um erneut zu warten.
    Wieder vergingen zehn Minuten. Dann weitere zehn. Schließlich stand Megan auf und ging hinüber, um nachzusehen, wo Ester war. Sie klopfte und rief, und als keine Antwort kam, öffnete sie die Tür und betrat das Zimmer. Sie war immer nur in Begleitung von Ester hier gewesen, und es kam ihr seltsam vor, alleine inmitten des Durcheinanders zu stehen, das den Raum so klein machte wie einen unaufgeräumten Schrank. Auch das Fehlen von Esters Stimme verwirrte sie, die Abwesenheit ihres Lachens und ihrer langsamen, schlafwandlerischen Bewegungen. Weil die Vorhänge geschlossen waren, lag der Raum fast gänzlich in Dunkelheit. Megan sah ins Bad und ließ dann Licht durch eines der Fenster herein.
    Auf dem Bett lagen Kleidungsstücke, Toilettenartikel, Kaugummipackungen, Stofftiere, farbige Kissen. Aus offenen Kommodenschubladen quollen noch mehr Röcke, Blusen und bunte Tücher, auf Stühlen lagen Strohhüte und billige Halsketten, Lippenstifte, Einwegkameras, Sonnenbrillen und Haarspangen aus glitzerndem Plastik. Megan stolperte über Schuhe, leere Gläser und ein Radio. Auf Regalen standen Souvenirs aus Manila, zerlegte Taschenlampen, CD-Hüllen, Parfümflaschen, ein ausgestopfter Kugelfisch. Die Wände waren tapeziert mit Seiten aus Illustrierten, ein scheinbar willkürlich zusammengefügtes Mosaik aus Filmstars, Autos und Landschaften. Abbildungen von Inneneinrichtungen und Festgesellschaften hingen da, Schminktipps mit Fotos und der Plan einer Stadt in Litauen. Einzig

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