Auf den Inseln des letzten Lichts
sollte, entschied sich dann aber dagegen und humpelte zur Station.
In der Küchenbaracke war niemand mehr, nicht einmal Rosalinda. Megan wollte den Schlüssel aus dem Versteck nehmen, fand ihn aber nicht. Weder in Carlas noch Malpass’ Zimmer brannte Licht, und sie klopfte vergeblich an beide Türen. Sie ging zum Laborgebäude und holte eine Packung des stärksten Schmerzmittels, das Raske besorgt hatte. Im ersten Raum fand sie eine halbvolle Flasche Wasser und spülte damit zwei Tabletten hinunter. In einer Schale lagen eine Banane und ein paar getrocknete Kokosnussstücke. Sie setzte sich in den Sessel, in dem Nelson immer saß, wenn er Videos schaute, aß die Banane und wartete, bis die Wirkung des Medikaments einsetzte.
Als das dumpfe Dröhnen des Generators zum Stottern wurde und bald darauf ganz erstarb und die Lichter erloschen, ging sie hinaus. Dunkelblaue Nacht umgab sie. Die Höhe der Himmelskuppel war überwältigend. Sie ging ein paar Schritte, stellte sich vor, alleine auf der Insel zu sein. Den Fuß spürte sie kaum noch. Alleine mit Montgomery, dachte sie, und dass der Rest ihr gestohlen bleiben konnte, sogar Carla, die sowieso bald verschwinden würde, jetzt, wo die Regenzeit zu einem Ende kam.
Sie ging immer weiter und stand irgendwann vor der Tür ihrer Unterkunft. Esters Fenster waren dunkel, Miguel schlief wahrscheinlich schon seit Stunden. Drinnen zündete Megan die Petroleumlampe an, trank ein Glas Wasser und schluckte eine weitere Tablette. Erst als sie auf dem Bett saß, sah sie das Blatt in der Schreibmaschine. Sie stand auf und zog das Papier aus der Walze. ICH MUSS MIT DIR REDEN. ESTER. Sie zerknüllte das Blatt und warf es in den Abfalleimer im Badezimmer. Das Licht der Lampe verscheuchte einen Gecko, der an der Wand über dem Spiegel gesessen hatte. Sie wusch sich die Hände und das Gesicht, suchte ihre Sachen zusammen und stopfte sie in den Rucksack. Dann hob sie das Brett der Fensterbank hoch und überzeugte sich davon, dass der in Plastiktüten verpackte Papierstapel noch da war, und drückte das Brett wieder in seine ursprüngliche Position. Als es hinter ihr an die offenstehende Tür klopfte, stieß sie beinahe einen Schrei aus und wirbelte herum.
»Wir wollten Sie nicht erschrecken.« Tanvir, der statt der dunklen Kleidung vom Strand eine weiße Hose und ein knielanges safrangelbes Hemd mit Rundkragen trug, hob beide Arme auf Brusthöhe, die Handflächennach vorne gedreht. Der neben ihm stehende Montgomery tat es ihm gleich.
»Haben Sie aber.«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
»Ist schon gut.« Megan sah den Bonobo an. »Hey, Montgomery. Komm rein.« Sie setzte sich auf das Bett. »Sie auch«, sagte sie zu Tanvir und versuchte, ihrer Stimme einen munteren Ton zu verleihen.
Montgomery nahm die Mütze vom Kopf und betrat das Zimmer. Er trug noch immer die lange dunkelblaue Hose und die Jacke in derselben Farbe. Tanvir streifte die Sandalen ab und folgte ihm. Montgomery stellte sich vor Megan, ergriff behutsam ihre Hand und sah ihr ins Gesicht. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte Megan sich auf etwas Schwerwiegendes gefasst gemacht; einen Unglücksfall, einen Heiratsantrag.
»Montgomery hat sich Sorgen um Sie gemacht.«
»Wirklich?«
Montgomery nickte, griff in die Seitentasche seiner Jacke, zog ein Blatt Papier daraus hervor und gab es Megan. Megan faltete es auseinander. Es war die Zeichnung mit den vielen Blumen, die Montgomery für sie gemacht hatte.
»Er hat mir das Blatt gezeigt und mich zur Tür gezogen. Und hier sind wir.«
Megan streichelte Montgomerys Arm. »Mir geht es gut. Danke.«
Montgomery schüttelte den Kopf.
»Er zweifelt am Wahrheitsgehalt Ihrer Antwort«, sagte Tanvir.
»Ach, ich habe mir den Fuß verstaucht. Ist es möglich, dass er das … gespürt hat?«
»Das, oder er hat hellseherische Fähigkeiten.« Tanvir deutete auf den Stuhl. »Darf ich?«
»Sicher.«
Tanvir setzte sich. »Ich wollte mit Ihnen reden, Megan. Morgen, nicht jetzt, mitten in der Nacht, aber da ich nun einmal hier bin …« Er räusperte sich. »Sie erinnern sich vielleicht an unser Gespräch. Als ich Sie bat, darüber nachzudenken, die Insel zu verlassen.« Er sah Megan an.
Megan nickte. Montgomery kauerte sich hin, legte beide Arme auf ihre Beine und bettete den Kopf darauf.
»Nun, ich bitte Sie noch einmal, zu gehen«, sagte Tanvir ernst. »Ich kann Ihnen die Gründe nicht nennen, aber Sie sollten wirklich abreisen. Je eher, desto besser.«
»Sie fordern
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