Auf den Schwingen des Adlers
Aufgabe übertragen bekam, war es immer besser, ein bißchen mehr zu tun als sie erwarteten. War die Aufgabe aus irgendeinem Grunde schwierig oder gar unmöglich durchzuführen, so behielt man das am besten für sich. Leute, die über Probleme jammerten, mochten sie nicht. Also sagte er nie: »Ich kann das nicht machen, weil ...« Statt dessen sagte er: »So und so weit bin ich bis jetzt gekommen, und dies oder jenes ist das Problem, an dem ich gerade sitze ...« Daß ihm diese Einstellung sehr zupaß kam, war eher ein Zufall. Er hatte sich bei EDS überaus nützlich gemacht und war sicher, daß die Firma das anerkannte.
Seine größte Leistung hatte er vollbracht, als vor einiger Zeit Computerterminals in Büros aufgestellt wurden, in denen sich das iranische Personal mißtrauisch und feindselig verhielt. Der Widerstand gegen die neuen Maschinen war so stark, daß Pat Sculley es auf nicht mehr als zwei pro Monat brachte; die restlichen achtzehn installierte dann Raschid innerhalb von zwei Monaten. Später hatte er daraus Kapital schlagen wollen und einen Brief an Ross Perot verfaßt, in dem er darum bat, seine Ausbildung in Dallas vervollständigen zu dürfen. Den Brief wollte er von sämtlichen EDS-Managern in Teheran unterschreiben lassen, aber die Ereignisse hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die meisten Manager wurden evakuiert. Der Brief war nie abgeschickt worden. Jetzt mußte er sich etwas Neues einfallen lassen.
Ihm fiel immer etwas ein. Für Raschid war nichts unmöglich. Es war ihm sogar gelungen, der Armee zuentkommen. Zu einer Zeit, da Tausende von jungen Iranern aus dem Mittelstand ganze Vermögen an Bestechungsgeldern ausgaben, um sich vor dem Militärdienst zu drükken, hatte Raschid die Ärzte nach ein paar Wochen in Uniform davon überzeugt, daß er unheilbar an einer Zitterkrankheit litt. Seine Kameraden und die Offiziere wußten genau, daß er sich bester Gesundheit erfreute, doch wann immer er eines Doktors ansichtig wurde, verfiel er in krampfhafte Zuckungen. Er wurde vor mehrere Ärztegremien zitiert, vor denen er stundenlang zappelte – eine ungeheuer anstrengende Arbeit, wie er fand. Aber schließlich hatten ihm so viele Doktoren seine Krankheit bescheinigt, daß er seine Entlassungspapiere erhielt. Es mochte verrückt, lächerlich und ganz und gar unmöglich sein – aber Unmögliches zu bewerkstelligen, war Raschids tägliches Brot.
Und er wußte, daß er eines Tages nach Amerika gehen würde. Er war spontan, ein Opportunist und verstand sich aufs Improvisieren. Seine Chance würde kommen, und er würde sie sich nicht entgehen lassen.
Mr. Simons interessierte ihn. Er war anders als die EDS-Manager. Simons sagte lediglich: »Gehen wir ein Stück spazieren.«
Sie schlenderten durch die Straßen Teherans. Ehe Raschid sich versah, erzählte er Simons von seiner Familie, seiner Arbeit bei EDS und seinen Ansichten über die Abgründe der menschlichen Seele. Währenddessen hörten sie ständig Gewehrschüsse; in den Straßen drängte sich die Menge, die Leute marschierten und sangen.
Überall waren die Überreste vergangener Straßenschlachten, umgestürzte Autos und niedergebrannte Gebäude zu sehen. »Die Marxisten demolieren die teuren Autos, und die Moslems legen die Spirituosenläden in Schutt und Asche«, erzählte Raschid.
»Wozu das alles?«
»Es ist an der Zeit für die Iraner, sich selbst zubeweisen, ihre Ideen zu verwirklichen und ihre Freiheit zu erlangen.«
Plötzlich standen sie auf dem Gasr-Platz vor dem Gefängnis.
»Viele Iraner sitzen in diesem Gefängnis nur deshalb, weil sie mehr Freiheit forderten«, sagte Raschid.
Simons deutete auf die vielen Frauen im Tschador. »Was machen die denn da?«
»Ihre Männer und Söhne sind unrechtmäßig eingesperrt worden, deshalb versammeln sie sich hier und flehen die Wächter an, die Gefangenen frei zu lassen.«
»Je nun«, sagte Simons, »was Paul und Bill betrifft, habe ich wahrscheinlich die gleichen Gefühle wie diese Frauen für ihre Männer.«
»Ja. Auch ich mache mir Sorgen um Paul und Bill.«
»Ja, aber glaubst du, das hilft ihnen?« fragte Simons.
Raschid war konsterniert. »Ich tue, was ich kann, um meinen amerikanischen Freunden zu helfen«, sagte er. Die Hunde und Katzen fielen ihm ein. Zur Zeit gehörte es zu seinen Aufgaben, für all die von den EDS-Evakuierten hinterlassenen Viecher zu sorgen – unter anderem vier Hunde und zwölf Katzen.
Raschid selbst hatte nie ein Haustier gehabt und
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