Auf den Wogen des Glücks
Edmund Thirlestane. Hochgewachsen und muskulös stand er mit seiner silbernen Mähne, die ihm bis über die Schultern fiel, da. Thirlestane trug eine Robe aus purpurner Seide die bis zu seinen Stiefeln reichte. Er stand mit dem Rücken zu ihnen vor dem Kamin und starrte auf das Feuer. Schließlich drehte er sich um und begrüßte sie mit einem strengen Blick. Nicholas fiel auf, dass er Dominique ein paar Sekunden zu lange Aufmerksamkeit schenkte.
Aber zum Teufel noch mal, konnte er es diesem Mann wirklich zum Vorwurf machen, dass er ein Auge für weibliche Schönheit hatte?
»Um Gottes willen, Hawksmoor.«
Nicholas versteinerte bei seinem herrischen Ton. Abneigung stieg in seiner Brust auf, als sich ihre Blicke wie Blitze trafen und die seit Jahren schwelende Glut entfachte. »Sir, dies ist meine Gattin Dominique. Sie ...«
Der Graf wedelte mit seiner prankenhaften Hand. »Ich bin bestens im Bilde darüber, wer sie ist, und ich weiß auch, was sie für mich getan hat. Ganz London spricht von nichts anderem - Brittlesea sei Dank. Selbst, wenn Sie alles erdenklich Mögliche unternommen hätten, um es zu verhindern: Eine derart sensationelle Nachricht lässt sich nicht geheim halten. Madam, es ist mir ein Vergnügen.«
Thirlestane griff nach Dominiques Hand und machte eine Verbeugung, die von einem ritterlichen Lächeln begleitet wurde. Dominique musste diese Geste als seltsam erachtet haben, denn sie starrte Thirlestane mit offenem Mund an. Für gewöhnlich bedeutete das, dass sie sich tiefschürfende Gedanken zu einem Thema machte. Als sie etwas vor sich hin murmelte, konnte Nicholas nicht genau verstehen, was sie sagte, denn er wurde durch eine Bewegung am Fenster abgelenkt. Dort stand neben einem Tisch eine wunderschöne Frau mit silbergrauem Haar, die ein elegantes Kleid aus cremefarbener Seide trug. Sie starrte ihn aus ruhelosen Augen an. Mit einer behandschuhten Hand hatte sie sich auf den Tisch gestützt, ganz so, als bräuchte sie Halt. In der anderen hielt sie ein Taschentuch fest an ihre Brust gedrückt. Nicholas schaute ihr tief in die Augen und wusste, dass sie geweint hatte. Auch wenn er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte, ahnte er, dass sie ihn kannte, sehr gut sogar.
»Die Gräfin St. Leger«, entfuhr es Nicholas, woraufhin die Gräfin ihre Augen schloss und das Gesicht abwandte. Nicholas blickte Thirlestane an. Seine Eingeweide zogen sich zusammen, aber er wusste nicht, warum.
»Nehmen Sie Platz«, lud Thirlestane Nicholas und Dominique ein und deutete auf ein elegantes Sofa.
»Ich möchte mich nicht setzen«, schoss Nicholas umgehend zurück, was Dominique veranlasste, ihren Druck auf seinen Arm sachte zu verstärken.
Thirlestane schaute ihn unverwandt an und begann in seiner Wut, ihn plötzlich wieder zu duzen. »Du hast dich schon immer für unglaublich schlau gehalten, nicht wahr? Hast nie auf jemanden gehört, selbst als du noch ein kleiner Junge warst. Und ich Narr habe allen Ernstes geglaubt, aus dir würde einmal etwas anderes als ein Draufgänger werden. Aber es hat den Anschein, als hätten wir uns beide getäuscht.«
Thirlestane streckte sein Kinn nach vorn, das zuvor von der Krawatte verborgen gewesen war, und nahm die Schultern zurück.
»Herrgott, verdammt noch mal, ich verstehe nicht, warum du überhaupt hierher kommen musstest. Ich kenne deine Gefühle für mich, und ich mache dir daraus keinen Vorwurf. Aber ich dachte, dass dein Kommen - und das sagte ich auch Emmaline ...« Thirlestane warf der Gräfin einen bedeutsamen Blick zu, bei dem seine Gesichtszüge sich fast schmerzhaft verzogen. »Es ist an der Zeit, dass du es erfährst, Nicholas. Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem ein Narr seine Fehler wiedergutmachen und den anderen um Verzeihung bitten muss.«
»Wie bitte?«
Thirlestane schnitt eine Grimasse. »Du hast mich sehr wohl verstanden. Ich ...« Die Brust des Grafen schwoll unterhalb seines weißen Hemdes an. Plötzlich drehte er sich um, zischte etwas vor sich hin und schritt auf die Gräfin zu, der er ein paar Worte ins Ohr flüsterte. Sie aber legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm und schaute ihm bedeutungsvoll in die Augen.
»O Gott, Nicholas ...«, flüsterte Dominique an seiner Seite.
Nicholas schaute sie scharf an. »Was?«
Ihre Augen verklärten sich. »Du siehst es nicht, oder? Die ganzen Jahre über hattest du nicht einmal den Schimmer einer Idee, nicht wahr?«
Ein sanftes Summen erfüllte Nicholas' Ohren. Es war das Blut in seinen Ohren,
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