Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Mathias
Ich glaube nicht an Schicksal. Ich glaube daran, dass man selber für sein Glück verantwortlich ist. Und manchmal muss man verdammt hartnäckig bleiben, um das zu bekommen, was man will. Oder wen.
Auf den ersten Blick war Kati eigentlich gar nicht mein Typ. Ich meine, sie war nicht hässlich, mit dieser kleinen geraden Nase und der niedlich geschwungenen Unterlippe, auf der sie herumkaute, wenn sie dachte, dass niemand hinschaute, aber eben nichts Besonderes. Mittelhübsch, mittelgroß, mittelblond, das trifft es wohl am ehesten. Ich begann sie erst interessant zu finden, als ich merkte, dass sie mich gar nicht registriert hatte, also so als Mann, meine ich. Sie schien einzig und allein darauf konzentriert, ihre Arbeit gut zu machen und sich ihre Nervosität gegenüber den Seminarteilnehmern nicht anmerken zu lassen. Ich musste mich ziemlich ins Zeug legen und mich von meiner allerbesten Seite zeigen, bis ich das Gefühl hatte, dass sie mich endlich mal richtig ansah und vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen zurückflirtete. Was ehrlich gesagt für mich ziemlich ungewohnt war. Normalerweise sehen mich Frauen nämlich sofort sehr genau an. Besser gesagt starren sie geradezu. Was daran liegt, dass ich gut aussehe. Nicht mittelgut, sondern wirklich richtig gut, Brad-Pitt-in-seinen-besten-Zeiten-gut. Das klingt arrogant und angeberisch, ich weiß, ist aber in der Praxis nur halb so toll, weil besagte Frauen vor lauter Starren vergessen, dass man sich auch mit mir unterhalten kann. Oder sie glauben, dass ich so blöd wie blond bin, und versuchen es erst gar nicht. Auf jeden Fall habe ich selten die Gelegenheit zu beweisen, dass ich auch noch ein netter Kerl sein kann.
Bei Kati war es umgekehrt: Sie schien ganz überrascht, als sie irgendwann im Laufe des Tages bemerkte, dass der nette Kerl auch noch gut aussah.
Ich gebe zu, nachdem ich mich so sehr ins Zeug gelegt hatte, blieb ich ein wenig unzufrieden zurück, als sie sich nach dem Seminar sofort verabschiedete, um ihren Zug zu erwischen. Aber vermutlich hätte ich die Sache abgehakt und vergessen, wenn diese SMS nicht gewesen wäre.
Man sollte eigentlich im Leben niemals die gleiche Dummheit zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß.
Bertrand Russell
»Also, wenn ich mich in drei Adjektiven beschreiben müsste, würde ich sagen: erstens: ein Typ zum Pferdestehlen, zweitens: FKK-Anhänger und drittens: allen Späßen und Flirts gegenüber aufgeschlossen. Na?« Der Mann neben mir legte neckisch seinen Kopf schief.
Erstens: Niemand will , dass Sie sich in drei Adjektiven beschreiben. Zweitens: Das waren auch überhaupt keine Adjektive. Und drittens: Womit habe ich das verdient? Das sagte ich aber nicht laut. Ich hatte mich innerlich noch nicht auf eine Abwehrstrategie festgelegt und schwieg daher mit möglichst ausdruckslosem Gesicht, während ich überlegte, was ich für Optionen hatte. Weggehen schied schon mal aus: Der verdammte Zug war bis auf den letzten Platz besetzt, weil er aus unerfindlichen Gründen »heute ohne die Wagen 21 bis 28« verkehrte.
Andere erzählen mir immer, dass sie sich beim Zugfahren entspannen, »richtig was weggearbeitet bekommen«, tolle Bekanntschaften machen, neue Geschäftsverbindungen auftun, mit gut aussehenden Menschen flirten, alte Schulfreunde treffen, großartige Ideen ausbrüten, sich endlich mal ausschlafen oder sonst wie amüsieren. Aber neben mir saßen immer nur die Verrückten, die Psychopathen, die ansteckenden Grippekranken. Und die, die nach Käsefüßen rochen, wie dieser hier. Irgendetwas hatte ich an mir, das solche Leute magisch anzog und die anderen fernhielt.
»Gestatten? Bill, seit vier Jahren neununddreißig, mein zweiter Vorname ist Paul.«
Gestatten, Kati, in vier Jahren 39, mein zweiter Vorname ist Idiotenmagnet.
Bill Paul lächelte mich aufmunternd an und entblößte dabei seine gelblich verfärbten Eckzähne. »Und jetzt sind Sie dran! Drei Adjektive, die Sie treffend beschreiben. Na? Trauen Sie sich ruhig.«
Geh weg!
»Ich helfe Ihnen mal ein bisschen auf die Sprünge … hm … also, was ich schon mal sehe, ist erstens: blond, zweitens: ziemlich niedlich und drittens: schüchtern.« Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. »Na kommen Sie. Ich beiße doch nicht. Oder vielmehr erst, wenn Sie mir die Erlaubnis dazu geben.«
Marlene an meiner Stelle hätte jetzt so etwas wie »Erstens: nicht interessiert, zweitens: lesbisch, drittens: in diversen Nahkampftechniken ausgebildet
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