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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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wurden Pilgerfreunde fürs Leben.
    Zwei Russen am Nachbartisch, die mein Edelstahlfeuerzeug bewundern, schenken mir eine Davidoff. So werde ich doch noch trotz meiner großen Traurigkeit von heute Morgen reich beschenkt durch unerwartete Freunde. Ich bin immer so kleinmütig, wenn ich verzweifelt bin, doch Santiago weiß es besser. Dann tröstet er mich wie der Vater seinen kleinen, weinenden Sohn. Ich sollte ihm mehr vertrauen.

Santa María de la Barca

    Sonntag, der 25. Juni,
    von Santiago de Compostela
    nach Muxía
    44. Reisetag

    Ich bin schon früh am Busbahnhof, dort, wo die Busse in alle nur möglichen Orte Galiciens abfahren. Auch die Fernbusse fahren hier ab, nach Madrid, Salamanca, Bilbao. Hier ist den ganzen Tag über lebhaftes Treiben, Menschen aus allen Ländern Europas warten auf den Bussteigen neben ihren bepackten Rucksäcken. Keiner fährt mit mir nach Muxía, nur ein paar junge Mädchen, zwei alte Männer mit Baskenmützen und grauen zerbeulten Jacken, eine Frau, die wohl Einkäufe in Santiago gemacht hat. Muxía ist kein Touristenziel wie Finisterre, auch hat die Badesaison noch nicht begonnen. Ich fahre deshalb nach Muxía, weil im letzten Jahr in Finisterre ein Gaitaspieler in galicischer Nationaltracht mir von seiner Heimatstadt erzählt und mir von der Schönheit seines Ortes vorgeschwärmt hat. Da wurde ich neugierig und nun sitze ich im Bus und fahre dorthin. Es ist grau und diesig, kein schöner Tag, um ans Meer zu fahren. Galicisches Wetter.
    Die Morgennebel hängen in den grünen Tälern, liegen über den Eukalyptuswäldern, lasten auf den Felsen der Anhöhen, wo sie die Macchie feucht und schwer machen. Trotzdem wäre ich gerne da draußen in dem satten, feuchten Grün unter den tropfenden Bäumen. Der Bus ist ein Gefängnis, an dessen beschlagenen Fenstern ein Film vorbeiläuft. In Negreiro entdecke ich unser Hotel wieder, wo ich mit Georg im Jahr 2000 auf unserem Weg nach Finisterre übernachtete. Auch damals regnete es.
    Hinter den letzten Hügeln an der Küste reißt der Nebel auf, die Sonne durchstößt die wabernden Schlieren, der Wind treibt die letzten Wolken über die Hügel landeinwärts. Eine weite Bucht mit graugrünem, ruhigem Wasser, gelbweißen Felsen, auf denen schwarz der nasse Tang hängt, ein weißer Sandstrand am gegenüberliegenden Ufer. Muxía ist ein unbedeutender, nicht eben schöner Ort, wie ich bald erkenne. Moderne, weiße, gesichtslose Hotelchen, eine weite, rotweiß gepflasterte Plaza mit Marinedenkmal, Supermärkte, in denen um diese Zeit niemand einkauft, Andenkenläden mit den Postkarten und üblichen Badesachen.
    Leer und freudlos an diesem Sonntagmorgen, hier ist wohl erst im Juli und August etwas los. Die grauen Straßen sehen wenig einladend aus, viele der unfreundlichen Häuser sind noch verrammelt, ich möchte am liebsten gleich in der Bar am Platz bleiben. Nun kann ich nicht mehr zurück, der Bus fährt erst um vier Uhr.
    Ich telefoniere mit meiner Frau, daß sie meinen Flug auf Dienstag umbucht, bis Donnerstag halte ich es nicht mehr aus. Auch Muxía hält mich nicht. Dann entdecke ich doch am Ortsausgang überraschend eine breite Promenade hoch über dem Meer mit grauen geduckten Gebäuden um eine ebenso graue Kirche mit massigem Kirchturm. Hier stehen auch einige Busse, am Andenkenkiosk lese ich, daß dies La Nuestra Señora de la Barca ist, eine berühmte Wallfahrtskirche. Etwas zieht mich hin zu der verschlossenen Kirche, zu der jetzt auch alte Weiblein, Männer und Kinder eilen. Ich weiß schon, Santiago zieht mich wieder, er will mir bestimmt etwas zeigen, um mich aufzumuntern in meiner Niedergeschlagenheit.
    Die Kirche ist schon voll, die Zwölfuhrmesse hat gerade begonnen, ich drücke mich in eine der Bänke vor dem Altar, alles guckt, man sieht hier wohl nicht viel Pilger und dann noch einen mit Stock aber ohne Rucksack. Über dem Altar hängt ein schlichtes barockes Retabel aus dunkelbraunem Holz, vergoldet, mit der Maria auf dem Schiff – der Barca – wie sie von Engeln geleitet wird. Rechts und links die zwölf Apostelköpfe übereinander, einer davon ist Santiago mit blond gelocktem Haar, zwei Muscheln auf der Brust und dem Pilgerstab. Ich wußte es doch, er also hat mich gerufen. Er läßt mich auch am letzten Tag nicht allein. Eine Retabel links zeigt Christus am Kreuz und rechts die schwarze Mater Dolorosa mit den sieben silbernen Dolchen. Am rechten Seitenaltar lächelt eine junge Maria in weiß und hellblau, am linken sieht man

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