Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
Wasser und zerfließenden Bergen.
Patricia kommt an meinen Tisch, ihr glockenhelles Lachen weckt mich aus meinen Träumen. Wir essen zum Abschied Jakobsmuscheln und einen köstlichen, gegrillten Fisch, frisch aus dem Meer. Wir lassen uns die beiden Schalen der Muscheln säubern und nehmen sie mit nach Hause, ein jeder signiert die seine und schickt sie dem anderen später zu. Auf meiner steht: Pour mon ami Peter, 26 Juin 2006, Fisterra, Patricia. Auf ihrer steht: Pour ma petite francaise, 26 Juin 2006, Fisterra. Kinderspiele. Wir sitzen noch lange im goldenen Abendlicht und träumen von unserer Jugend, von George Brassens, Adamo, Jaques Brel, Edith Piaf, Antoine, Richard Anthony: „Et j’entend siffler ce train toute ma vie“ Wir verstehen uns, es ist ein Abend voller Glück, alle Schmerzen sind vergessen, das Zauberlicht des Abends, die stillen Boote in der verträumten Bucht, über die schwarzdunkel von Osten die Nacht herunterzieht. „We’re yesterdays people with yesterdays dreams.“
Ich weiß nun: Galicien ist das Land meiner Sehnsucht, das schönste ganz Spaniens, die Quintessenz meiner neun Jahre, wo alles zusammenkommt, was ich liebe: das Meer und die grünen Berge, die stillen Wälder und der Duft von Eukalyptus und Pinien, die Nebel des Morgens und der strahlende Himmel des Tages. Hier ist mein Vanishing Point – mein Fluchtpunkt – wo sich mein Leben trifft.
Abschied
Dienstag, der 27. Juni, von Fisterra
nach Santiago de Compostella
46. und letzter Reisetag
Heute Morgen ein fröhlicher, trauriger Abschied, wir küßten uns, ich umarmte sie: ma petite Francaise, versprach ihr, sie im nächste Jahr zu besuchen in Bordeaux, nach meiner Wanderung auf der Via Tolosana. Doch ich sah sie nie wieder. Meine Reise geht nun doch so schön zu Ende, wie sie begonnen hat vor 56 Tagen in Sevilla, wie ich es kaum zu träumen gehofft hatte. Ich fahre wieder zurück durch die grünen, nebligen Hügel, die tauschweren Eukalyptuswälder, da ist Erinnerung an Georg, da ist ein Schmerz im Herzen, nicht mehr in den Füßen. Erst jetzt ist meine Reise zu Ende. Der Flughafen ist eine fremde Welt.
Glossar
Jakobus der Ältere
Gestorben um 44, Apostel, Märtyrer, Kanonheiliger, Nationalheiliger und Patron Spaniens und Portugals, Patron der nach ihm benannten Orden und der Pilger, Patron der Apotheker, Drogisten und Wachszieher, der Strumpfwirker und Hutmacher, der Kettenschmiede, Lastträger und Ritter, Patron des Wetters, der Äpfel und Feldfrüchte; Helfer gegen Rheumatismus.
Jakobus war der Sohn des Fischers Zebedäus aus Bethsaida an der Mündung des Jordan in den See Genezareth und der Salome von Galiläa. Mit seinem jüngeren Bruder Johannes – Johannes der Evangelist – folgte er Jesus. Zusammen mit Petrus gehörten die beiden „Boanerges“ – Donnersöhne – wie Jesus die Brüder Jakobus und Johannes nannte, zu den engsten Vertrauten des Heilands. Sie begleiteten Jesus bei seiner Verklärung auf dem Tabor und bei seiner Todesangst im Garten Gethsemane. Jakobus der Ältere war der erste der zwölf Apostel, der das Martyrium erlitt. Um Ostern des Jahres 44 ließ Herodes Agrippa I., zuletzt König über das ganze jüdische Land, den Apostel in Jerusalem durch das Schwert hinrichten. An der mutmaßlichen Stelle ließ Kaiserin Helena im 4. Jahrhundert eine Jakobuskirche bauen, die dem Persereinfall von 614 zum Opfer fiel. Die Kreuzfahrer errichteten im 12. Jahrhundert eine neue, Jakobus dem Älteren geweihte Kirche, die heutige Patriarchatskirche der Armenier, einer der schönsten Sakralbauten Jerusalems.
Der Kult des Jakobus wurde populär, als im 7. Jahrhundert die Legende aufkam, er habe in Spanien gepredigt und sei dort gestorben. Aber keine Schrift belegt dies. Die katholische Kirche sah die Reise des Apostels nach Spanien so: Kaiser Justinian I. schenkte den Leib des Heiligen Jakobus dem Sinaikloster Raithu, das fortan Jakobskloster hieß. Dessen Mönche brachten die Gebeine im 7. Jahrhundert nach Spanien, um sie vor Entweihung durch die Mauren und vor dem Untergang zu schützen. Man verwahrte sie in der Kirche Santa María in Mérida. Aus dem Jakobskloster wurde das berühmte Katharinenkloster. Als die Mauren 711 auch Spanien besetzten – nur den Norden der Halbinsel ließen sie unbehelligt, so daß sich hier einige christliche Königreiche, wie Asturien und León, bilden und halten konnten – vergrub man die Gebeine des Apostels in einer römisch-suebischen Nekropole bei Iria Flavia in der
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