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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu lockern. Eines der Pferde begann nervös auf der Stelle zu treten und zu wiehern.
    »Was ist mit den Tieren?«, fragte der Kutscher, während er weiter mit seinem Messer in der verfilzten Masse herumstocherte. »Versuchen Sie sie zu beruhigen, Sir. Ich möchte nicht, dass sie durchgehen, während ich die Hand unter dem Rad habe.«
    Andara nickte, ging vorsichtig am Wagen vorbei nach vorne und legte dem ersten Tier beruhigend die Hand auf die Nüstern.
    Es biss nach ihm.
    Andara zog im letzten Moment die Hand zurück, verletzte sich aber dabei am Zaumzeug und zog sich einen langen, blutigen Riss auf dem Handrücken zu. Hastig sprang er ein weiteres Stück zurück, warf dem Pferd einen zornigen Blick zu und presste die Hand unter die Achselhöhle.
    »Ist es schlimm?« Der Kutscher kam hastig herbei und wollte mit seinen schlammverkrusteten Fingern nach seiner Hand greifen.
    Andara schüttelte hastig den Kopf und wich ein weiteres Stück zurück. »Halb so wild«, sagte er. »Nur ein Kratzer. Aber er tut verdammt weh.«
    »Dann lassen Sie mich danach sehen«, beharrte der Kutscher, blickte einen Moment auf seine eigenen, schlammverkrusteten Hände herab und schüttelte den Kopf. »Nachdem ich mir die Hände gewaschen habe«, fügte er hinzu. Ohne Andaras Antwort abzuwarten, kletterte er auf den Kutschbock hinauf, wühlte einen Moment in seinem Gepäck und förderte eine bauchige Feldflasche zutage, aus der er einen gewaltigen Schluck trank, ehe er sich den Rest über die Hände kippte, die er anschließend an seiner Jacke trocken wischte. Dann kramte er ein Verbandspäckchen aus seiner Tasche, sprang auf den Boden zurück und begann mit kundigen, wenn auch alles andere als sanften Bewegungen, den Riss zu säubern und zu verbinden. »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Ich kenne die Tiere ganz genau. Sie sind normalerweise lammfromm. Sie haben noch nie einen Menschen gebissen.«
    »Sie sind nervös«, sagte Andara. »Irgend etwas macht ihnen Angst.«
    Der Kutscher zog den Knoten um seinen improvisierten Verband ein wenig fester zusammen, begutachtete sein Werk einen Moment lang kritisch und nickte schließlich. »Schön ist es nicht«, sagte er. »Aber bis Sie zu einem richtigen Arzt kommen, wird es halten.« Er seufzte, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und ging finster vor dem eingesunkenen Rad in die Hocke. »Meinen Fahrplan kann ich vergessen«, maulte er: »Ich möchte wissen, wo dieses Scheißzeug auf einmal herkommt.«
    »Ich werde mit Ihrem Vorgesetzten sprechen«, sagte Andara. »Sie sollen meinetwegen keinen Ärger bekommen.«
    »Den hab’ ich schon«, sagte der Fahrer finster, fügte aber sofort und in eindeutig entschuldigendem Ton hinzu: »Aber das hat nichts mit Ihnen zu tun. Ist schließlich meine Sache, wenn ich eine kleine Extratour mache, um mir ein Trinkgeld zu verdienen, oder? Außerdem können Sie für das da nun wirklich nichts.« Wütend hieb er mit seinem Taschenmesser auf die schwarzbraune Pflanzenmasse ein. »So etwas hab’ ich überhaupt noch nie gesehen.« Er keuchte vor Anstrengung. »Man könnte glauben, das Zeug wächst um das Rad herum. Verdammt, das ist doch nicht normal!«
    Andara schwieg weiter, aber hätte der Kutscher in diesem Moment aufgeblickt, dann hätte er gesehen, dass der Ausdruck von Verwirrung auf seinen Zügen einem immer tiefer werdenden Erschrecken Platz machte. Und jetzt, als hätten die Worte des Postkutschenfahrers einen unsichtbaren Schleier von seinen Sinnen gezogen, fiel ihm auch noch mehr auf: Plötzlich registrierte er, wie nervös die vier Pferde geworden waren; nicht nur das eine, das nach ihm gebissen hatte. Ihre Schwänze peitschten, die Köpfe bewegten sich mit kleinem, fahrigem, Rucken hierhin und dorthin, ihre Nüstern waren gebläht, als witterten sie eine Gefahr, die sie noch nicht sehen konnten, die aber da war.
    Und näher kam, dachte Andara erschrocken.
    Mit einem Ruck richtete er sich auf. Und plötzlich sah er Dinge, die die ganze Zeit über dagewesen waren, die er aber aus irgendeinem Grund nicht hatte wahrnehmen können: mit einem Male fiel ihm die Kälte auf, die ihm im ersten Moment angenehm und lindernd erschienen war, sich in Wirklichkeit aber mit der klebrigen Feuchtigkeit einer eisigen Hand auf seine Haut legte und in seine Glieder kroch, die Schatten, die eine Spur zu düster waren, ein winziges Stückchen weit in die Richtung verschoben, in der die Albträume hinter den Kanten der Wirklichkeit lauern, das leise Wispern

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