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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Leuten von Innsmouth fernzuhalten. Es seien verschlossene Menschen, die Fremde nicht mochten, hatte er gesagt, und die keine Gelegenheit ausließen, sie über den Tisch zu ziehen. Er hatte nicht gesagt, dass sie gebürtige Betrüger und Halsabschneider waren, dachte Andara grimmig, denn der Gaul, den er zu einem Preis erstanden hatte, zu dem er in Denver oder New York einen kompletten Vierspänner hätte mieten können, war nicht einmal ein Reitpferd, sondern eine flügellahme Mähre, die ihr Lebtag lang einen Pflug gezogen haben musste. Er hatte so wenige Übung darin, einen Menschen zu tragen, wie Andara andererseits darin, zu reiten.
    Arkham selbst überraschte ihn. Nach H.P.s Erzählungen hatte er erwartetet, eine düstere Ortschaft vorzufinden, in der die Angst herrschte und die voller blasser, verängstigter Menschen war, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Er erreichte den Ort mit dem letzten Licht des Tages, und was er sah, als er aus dem Wald ritt und sein Pferd einen Moment lang zügelte, war nichts anderes als eine verträumte Kleinstadt an der Südspitze Neu-Englands, die möglicherweise hundert Jahre hinter der Zeit zurückgeblieben, nichtsdestotrotz aber hell und freundlich und voller fröhlicher Menschen zu sein schien. Das blaue Band des Miskatonic-River zerschnitt die Stadt in zwei ungleichmäßige Hälften, und irgendwo auf der anderen Seite des Flusses, vom blasser werdenden Licht der untergehenden Sonne bereits zu einem schwarzen, flachen Schatten degradiert, überragten die mächtigen Mauern und Türme der Universität ihre Dächer wie eine Trutzburg die Stadt, die sie schützte. Nach der Lage der Dinge, überlegte er, war dieser Vergleich nicht ganz passend; es war wohl eher gerade umgekehrt, und das drohende Schwarz dieses gewaltigen Schattens mochte durchaus mehr und direkter ein böses Omen sein, als er sich einzureden versuchte.
    Aber er bemerkte nichts von Furcht oder Verschlossenheit, als er in die Stadt einritt und ihren Menschen begegnete. Da war nichts von der düsteren, nicht in Worte zu fassenden Bedrohung, keine finsteren Schatten, nichts von den raschen, ängstlichen Blicken, die ihm nur allzu oft begegnet waren, überall, wo er auf ihre Spuren gestoßen war, nichts von der Bedrückung, die wie ein unsichtbarer Alp auf dem Tag lastete, nichts von dem Gefühl, mitten in eine Herde verängstigter Tiere zu reiten, die beim geringsten Anlass in Panik davonstieben würden. Nein – Arkham schien eine ganz normale, allenfalls etwas verschlafene Kleinstadt zu sein, in der das Aufregendste die sonntägliche Messe war und man das Verstreichen der Zeit nach Jahren, nicht nach Tagen maß.
    In gemäßigtem Tempo ritt er durch die Stadt, fragte sich zum Mietstall durch und gab sein Pferd in Pflege, ehe er sich nach der Pension erkundigte, die ihm H.P. als Treffpunkt genannt hatte. Wie sich herausstellte, waren es bis dorthin nur wenige Schritte, sodass er sich selbst die Mühe sparen konnte, einen Burschen zu suchen, der sein Gepäck trug.
    Die Sonne ging endgültig unter, als er das zweistöckige Gebäude Ecke Armitage-und Jenkins-Street erreichte. Wie H.P. ihm gesagt hatte, handelte es sich um ein eher unauffälliges Haus, das ein Stück von der Straße zurückgesetzt lag und an dem die Zeit sichtlich zu nagen begonnen hatte. Seine ursprüngliche Farbe ließ sich im schwächer werdenden Licht des Abends nicht mehr feststellen, aber Andara sah die großen, pockennarbigen Stellen, an denen der Verputz abzublättern begann, die ein wenig schräg in den Angeln hängenden Läden und das leicht eingesunkene Dach. Arkham war eine alte Stadt, zumindest für die Zeitbegriffe dieses noch jungen Landes, und dieses Haus war ein altes Haus. Eigentlich hätte es ihm auf Anhieb sympathisch sein müssen, aber das genaue Gegenteil war der Fall. Irgend etwas daran beunruhigte ihn. Etwas mit seinen Schatten, die eine Spur zu tief waren, vielleicht.
    Aber vielleicht war er auch nur erschöpft und begann schon, hinter allem und jedem Verrat und Heimtücke zu wittern. Es gab eine gewisse Art von Paranoia, die fast zwangsläufig kam, wenn man zu lange auf der Flucht war.
    Er stellte seine Koffer ab, betätigte den löwenköpfigen Türklopfer und trat ein kleines Stück zurück, als von drinnen schlurfende Schritte laut wurden. Eine Kette klirrte, dann schwang die Tür eine Handbreit nach innen, und ein zerknautschtes Gesicht lugte zu ihm heraus. »Ja?«
    »Miss Lugosi?« Andara lächelte, tippte mit Zeige-und

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