Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
plötzlich. Es war verrückt und völlig unmöglich und gegen jegliche Logik, aber es war, als ginge von dem, was er für eine Glasscherbe gehalten hatte, eine Woge intensiver, unangenehmer Kälte aus. Das Licht im Raum schien zu flackern, obgleich die Kerzen ruhig weiterbrannten. Irgend etwas bewegte sich in den Schatten, was nicht dorthin gehörte.
    Er verscheuchte den Gedanken, beugte sich vor und nahm die Scheibe behutsam auf. Es war sehr unangenehm, sie zu berühren. Ihre Oberfläche war zugleich glatt und rau und dabei so kalt, dass das Gefühl fast die Grenzen echten körperlichen Schmerzes erreichte.
    Und es war ihm unmöglich, ihre Form zu bestimmen.
    Sie war weder rund noch kantig, aber es war auch kein Splitter mit ungleichmäßigen Rändern, der roh aus einer größeren Fläche herausgebrochen worden war. Sie war …
    Andara fand keine Worte für die unmöglichen Linien und Kurven, über die seine Fingerspitzen tasteten. Es war eine geometrische Form, aber eine, die einen Euklid schlichtweg in den Wahnsinn getrieben hätte. Es gab Winkel und Krümmungen, die einfach nicht möglich waren, Kanten, die so gegeneinander geneigt waren, dass sie sich gegenseitig aufhoben, Parallelen, die sich ein duzend Mal schnitten und dem räumlichen Verständnis des menschlichen Geistes die Zunge herausstreckten. Allein die Scheibe anzusehen, bereitete Andara körperliches Unbehagen.
    »Was ist das?«, fragte er noch einmal. Plötzlich fiel es ihm schwer, zu sprechen. Ein pelziger, sehr unangenehmer Geschmack war auf seiner Zunge.
    »Möglicherweise der Beweis für meine Unschuld«, sagte H.P. ruhig. »Möglicherweise auch nicht. Ich … ich weiß es nicht, Roderick. Aber es ist die einzige Spur, die ich habe.« Er stand auf, beugte sich über den Tisch und nahm Andara die Kristallscheibe vorsichtig aus den Händen. Erst als er sie wieder in das Ölpapier eingewickelt und den Bindfaden darum sorgsam verknotet hatte, sprach er weiter: »Ich habe Ihnen von meinen Forschungen erzählt, Roderick, und auch von den Männern, die mich verfolgen.« Er atmete hörbar ein. »Ich will es kurz machen: Die Methoden meiner Verfolger, sich meiner zu entledigen, sind etwas subtiler als die Ihrer Feinde, Roderick, aber kaum weniger wirkungsvoll. Ich werde des Mordes bezichtigt.« Er legte eine genau bemessene, rhetorische Pause ein und deutete auf das Bündel vor sich. »Und ich fürchte, der einzige Weg, meine Unschuld zu beweisen, ist das da. Was immer es sein mag.«
    »Und wieso?«
    H.P. seufzte. »Das ist eine lange Geschichte. Trotzdem ist sie schnell erzählt. Ich war nicht ohne Freunde, als ich Europa verließ, müssen Sie wissen. Durch meine Forschungen stand ich in engem brieflichem Kontakt mit einem gewissen Dr. Langley, Professor für Antrophologie an der Miscatonic-Universität in Arkham. Vor etwa zwei Jahren reiste ich zu ihm, und meine Hoffnung, Hilfe und Unterschlupf zu finden, erfüllte sich. Aber leider nur für eine äußerst bescheidene Zeitspanne.« Er brach ab. Sein Blick verdüsterte sich, als bereite ihm allein die Erinnerung Unbehagen.
    »Was ist geschehen?«, fragte Andara.
    »Dr. Langley beschäftigte sich mit den gleichen Dingen wie ich«, sagte H.P. »Der größte Teil meines Wissens stammt von ihm, müssen Sie wissen. Ich argwöhnte bereits in Europa, dass er über weit mehr Informationen verfügte, als er mir gegenüber zuzugeben bereit war, und mein Argwohn stellte sich als begründet heraus. Tatsächlich fand ich einen Mann vor, der ein menschliches Wrack war. Er war nervös, fahrig, unkonzentriert – und er hatte Angst. Ich bot ihm meine Hilfe an, und nach einer Weile gelang es mir auch, sein Vertrauen zu erringen. Was er mir erzählte, Roderick, ließ mich seine Angst verstehen. Er sprach von R’Lyeh und Cthulhu und Wesen, die er die GROSSEN ALTEN nannte, und er behauptete, den Weg zu diesem R’Lyeh zu kennen. Eines Abends eröffnete er mir, dass er zu diesem Ort reisen wolle, um einer nicht näher bezeichneten Gefahr zu begegnen. Natürlich versuchte ich, ihn von seinem Entschluss abzubringen, aber er ließ nicht mit sich reden und begann schließlich, mich zu beschimpfen und der Feigheit zu bezichtigen; letztendlich warf er mich aus seiner Wohnung. Am nächsten Morgen war er verschwunden, nicht jedoch, ohne einen an mich adressierten Brief zu hinterlassen, in dem er sich für sein Benehmen entschuldigte und mir versicherte, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, denn er müsse einer Gefahr begegnen,

Weitere Kostenlose Bücher