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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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»Welche anderen, Gum? Wer hat die Pflanze geschickt?«
    »Stand in allen Zeitungen«, krächzte Gum über die Schulter, »dass du tot bist.«
    »Gum …!«
    Doch ab nun war er taub.
     
    Dee hängte sich an ihre Informanten, brachte das Gehörte in Umlauf und gab ihre ganzen Ersparnisse dafür aus, das Zuträgernetz gut zu schmieren. Sie nahm zusammen mit Paula an einem weiteren Vernichtungsfeldzug teil, diesmal gegen eine ungeschützte Farm in New Jersey. Sie besuchte Perri in Cotsworth, und jedes Mal war Perri dünner und stiller und hatte zusehends Mühe beim Gehen. Dee deckte die Justizverwaltung mit Unmengen von Beschwerden, Vorwürfen und biblischem Zorn ein, doch nichts davon brachte auch nur die geringste Veränderung.
    Dann überfiel Paulas Gruppe eine Plantage in Connecticut. Unter dickem Plastik befand sich Beet um Beet mit üppig grünem Blattwerk, das gentechnisch verändert war, um … um was? Völlig egal. Zu diesem Zeitpunkt empfand Dee nicht einmal mehr Neugier. Um in die Plantage eindringen zu können, hatte man das Glas rundum mit Semtex aufsprengen müssen, und augenblicklich war der Alarm losgegangen. Die Aktivisten schleuderten die Flammenwerfer hinein und rannten in alle Windrichtungen davon. Entsprechend ihrer Instruktionen lief Dee in einem weiten Bogen nach links und sprang in einen Durchlass unter der Straße, in dem kniehoch stinkendes Wasser stand. Spinnweben hingen von der Decke und legten sich über ihr Gesicht. Von einem Turm, dessen Existenz Dee erst jetzt wahrnahm, bestrichen Scheinwerfer die ganze Gegend, und sie konnte hören, dass ein Hubschrauber näher kam, aber sie schaffte es zurück zur Straße, zum Wagen und heim in ihre Wohnung.
    Erst später erfuhr sie, dass bei dem Einsatz zwei Aktivisten ums Leben gekommen waren. Einer von ihnen war Paula.
     
    Am nächsten Abend rief Eliot an. »Herr im Himmel, Dee, was, zum Geier, bezweckst du eigentlich damit?«
    Er wusste von dem Überfall auf die Plantage! Nein, unmöglich, wie konnte er das wissen? Dann musste er wohl gehört haben, dass sie ihre alten Straßenspitzel wiederum aktivierte! Sie sagte nichts.
    »Wie kannst du Perri besuchen und sie dann endlos damit löchern, was für eine Niete sie ist? ›Du suchst dir immer die miesesten Typen aus, du hast dein ganzes Leben vermurkst, dass du im Knast warst, wird dich verfolgen bis in alle Ewigkeit.‹ Wie kannst du sowas tun, Dee?«
    »Das stimmt doch alles.«
    »Na und? Sie kämpft sich mit aller Kraft durch diese Hölle dort, und das Letzte, was sie braucht, sind deine …«
    »Und wie willst du wissen, was sie braucht, du Scheißkerl? Ich hab für sie gesorgt, seit sie zwei Jahre alt war!«
    »Und du hast ihr auch eingeredet, dass sie nicht allein für sich sorgen kann! Du hast ihr Leben vermurkst, und sonst niemand! Also hör auf damit …«
    Dee schlug mit der Faust auf die AUS-Taste und dann rannte sie wie ein wildes Tier in der kleinen Wohnung herum, bis ihre eigene Wut ihr Angst machte. Daraufhin versuchte sie, sich zu beruhigen: tiefe Atemzüge, eine Weile Gewichte heben, ein Tässchen heißen Tee. Um Mitternacht schlief sie endlich ein.
    Um drei Uhr früh fuhr sie hoch, hellwach. Jemand war in der Wohnung.
    Dees Hand glitt unter das Kissen auf der Suche nach ihrer Waffe, doch noch ehe sie sie ergreifen konnte, wurden ihre Arme hochgerissen und mit Handschellen gefesselt. Das Licht ging an.
    Der Mann nahm den Helm mit dem Nachtsichtgerät ab, zog sich einen Stuhl ans Bett und betrachtete Dee schweigend. Er war von mittlerer Statur, gegen vierzig, braune Augen. Haare von der Farbe gelblicher Blumen. Dee starrte zurück; sie weigerte sich einfach, Furcht zu zeigen. Sie sagte: »Sie sind Mike.«
    »Ja. Obwohl mein Name eigentlich Victor ist.«
    Sie schniefte verächtlich, und er lächelte. »Nein, Dee, Sie sehen wirklich nicht aus wie Perri. Kommen Sie, wir gehen aus.«
    Sie begann zu schreien. Die Wände hier waren dünn, irgendjemand würde sie hören.
    Victor klatschte ihr umgehend einen Klebestreifen über den Mund, schlug das Laken zurück, ignorierte ihre Tritte und legte ihr Fußfesseln an. Dann wickelte er sie in die Decke wie eine Kranke, hob sie mühelos hoch und trug sie die drei Treppen hinab. Er war weitaus kräftiger, als er aussah.
    Ein privater PKW wartete vor dem Haus. Wann habe ich das letzte Mal in einem PKW gesessen?, fuhr es Dee groteskerweise durch den Kopf. Jahre war das her. Privatautos waren abgasspeiende Dämonen, die Menschen zerquetschten wie

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