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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Schaukeln, sie fühlte sich wie an Land. Victor saß in einem Sessel neben ihrer Koje.
    In ihrem Bedürfnis nach einem Minimum an Würde kämpfte Dee sich in sitzende Stellung hoch. »Wo sind wir?«
    »Auf See. Der Sturm ging vorbei, während Sie ohne Bewusstsein waren. Es ist ein herrlicher Tag.« Er hob sie hoch und trug sie hinaus auf einen schmalen Korridor, wo ein Rollstuhl stand. Die Decke glitt zu Boden. Dee sah an sich hinab; ihr Pyjama stank, aber wenigstens hatte sie ihn an. Was, wenn sie nackt gewesen wäre, als er sie entführte? Und wo war ihr teures, sorgfältig installiertes Nervengas abgeblieben? Schon zum zweiten Mal hatte es sich irgendwie umgehen lassen! Anscheinend war plötzlich die ganze New Yorker Unterwelt zu Sicherheitsexperten mutiert!
    »Ich muss auf die Toilette.«
    »Ja. Einen Augenblick.« Er fuhr sie zu einer Tür, öffnete sie und schob den ganzen Rollstuhl hinein, ehe er die Tür wieder schloss.
    Fluchend stand Dee auf, immer noch an Händen und Füßen gefesselt. Irgendwie schaffte sie es, die Pyjamahose hinabzuschieben, ihr Geschäft zu erledigen und die Hose wieder hochzuzerren. Danach blieb ihr nichts anderes übrig, als gegen die Tür zu treten.
    »Oben auf Deck ist es nicht so stickig«, bemerkte Victor fröhlich. Dee durchbohrte ihn mit einem finsteren Blick.
    Es war nicht so stickig auf Deck. Außerdem so blendend hell, dass es den Augen weh tat. Greller Sonnenschein legte sich auf das blaue Meer, und hätte nicht eine leichte Brise geweht, wäre die Hitze unerträglich gewesen. »Ich kann nicht lange hier heraußen bleiben«, sagte Dee. »Ich nehme an, Sie haben einen Sunblocker aufgetragen.«
    »Sie auch. Wurde gemacht, bevor Sie aufwachten. Aber wir sind ohnehin gleich da.«
    Wo? Nichts als Wasser in jeder Richtung. Dee verschränkte die Finger und sagte nichts. Sie hatte nicht vor, bei seinem sorgfältig inszenierten Spiel irgendeine Rolle zu übernehmen. Wenn er sie umbringen wollte, dann würde er sie eben umbringen.
    Aber sie wusste, dass sie dem Sterben nicht gerade gleichgültig gegenüberstand.
    Keine Menschenseele tauchte auf diesem Abschnitt des Decks auf. Und die üppige Vegetation, die Perri beschrieben hatte, war auch nicht in Sicht. Vielleicht fürchtete Victor, dass auch Dee ein Blümchen stehlen könnte.
    Das Schiff bewegte sich über die Wellen, doch ohne Bezugspunkte hatte Dee keine Möglichkeit, die Geschwindigkeit abzuschätzen. Nach etwa zwanzig Minuten richtete Victor, der die ganze Zeit, auf die Reling gestützt, über das Wasser geblickt hatte, sich plötzlich auf. »Dort. Halbrechts.«
    Erst sah Dee überhaupt nichts. Dann bemerkte sie es: Das Meer änderte die Farbe, von Blau zu einem matten, öligen Schwarz. »Ein Ölfleck?«, fragte sie.
    »Wollte Gott.«
    Sie kamen näher. Die Schwärze nahm an Tiefe zu, bis Dee sah, dass es eigentlich ein dunkles Violett war, das sich bis zum Horizont zu erstrecken schien. Das Schiff fuhr ein Stück ins Violett hinein und stoppte.
    Victor ließ eine Art mehrhakigen Anker hinab. »Wir können nicht weiter hinein, das wäre zu riskant für die Schrauben. Aber die Beobachtungen aus der Luft haben ergeben, dass die Algenblüte bereits mehr als hundertfünfzigtausend Quadratkilometer Ozean bedeckt. Haben Sie eine Vorstellung, wie viel das ist, Dee? Das ist viermal die Größe der Schweiz! Hier, sehen Sie!«
    Er zog den Anker hoch und hielt ihn ihr hin. Etwas, das aussah wie Tang – aber Dee war keine Expertin für Meeresbiologie –, hing triefend von den Haken.
    »Das sind keine gewöhnlichen Algen«, sagte Victor. »Es ist ein Gentech-Produkt. Geschaffen aus gentechnisch veränderten Bakterien. Die Vermehrungsrate ist eine für Bakterien normale, das bedeutet eine Verdoppelung alle zwanzig Minuten. Keine natürlichen Feinde, niemand frisst es. Aber es blockiert das Sonnenlicht fast vollständig, was heißt, dass alles darunter stirbt. Sie wissen doch um die Bedeutung der Nahrungskette, Dee, nicht wahr? Dann ist Ihnen sicher klar, was passiert, wenn das Meer stirbt.«
    »Wer hat das hergestellt?«
    »Das ist unbekannt. Am ehesten ist zu vermuten, dass es sich um einen Unfall handelte, ein Missgeschick. Vielleicht war es dazu bestimmt, die Brutgebiete der malariaübertragenden Moskitos in seichten Meeresbuchten der Dritten Welt abzudecken. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist es außer Kontrolle geraten.« Victor betrachtete die triefende violette Masse an seiner Hand, und Dee betrachtete Victor. Sein

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