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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ab. Die blau-grünen Augen auf den hellen Blättern, Perris Augen, blinzelten einmal und schlossen sich.
     
    »Heute nehmen wir uns eine Farm vor«, sagte Paula kurz angebunden. »Du kannst mitkommen.«
    »Hab wohl die Prüfung bestanden, wie?«, bemerkte Dee.
    »Warum hast du nicht erwähnt, dass die Mistkerle versucht haben, dich mit einer biologischen Waffe umzubringen?«
    »Ich fand, ich sollte eure Nachforschungen ein wenig bereichern«, sagte Dee. Sie verbarg ihre Überraschung, dass »die Gruppe« – arroganterweise führte sie keine nähere Bezeichnung – die Sache mit dem Attentat in ihrer Wohnung herausgefunden hatte. Diese Leute verfügten über bessere Verbindungen als gedacht, denn Dee hatte keine polizeiliche Anzeige erstattet.
    »Wir treffen uns hier um zwei Uhr morgens«, sagte Paula. »Zieh dir dunkle Sachen an, sie sollen Arme und Beine mit wenigstens drei Lagen Stoff bedecken, und dazu feste Schuhe. Handschuhe und Maske kriegst du von uns.«
    »Wird gemacht. Und, Paula … danke.«
    »Ich weiß, wie’s ist«, erwiderte Paula kryptisch. Dee fragte nicht, was damit gemeint war.
    Sechzehn Personen, hineingezwängt in zwei Lieferwagen mit verdunkelten Fenstern und einer undurchsichtigen Trennscheibe zwischen Fahrer und Passagieren. Keine Namen, Gesichter hinter Masken; Dee würde nicht in der Lage sein, irgendjemanden außer Paula zu identifizieren. Die Fahrt dauerte – bei wechselndem Tempo – mindestens vierzig Minuten. Als der Wagen anhielt, konnte das mitten im Irgendwo sein.
    »Bleibt immer einer hinter dem anderen«, trug ihnen der »Gruppenleiter« auf. Nur am Schein einer einzelnen Taschenlampe am Kopfende der Reihe erkennbar, führte er die Leute durch die Dunkelheit, weg von der Straße und durch ein kleines Wäldchen, ehe sie drei offene Felder überquerten, die durch niedriges Gestrüpp voneinander getrennt waren. Schließlich hielt die ganze Reihe an.
    Die Gentech-Pflanzung bestand aus einem halben Hektar junger Bäume. Sicher zum Verkauf für weitere Züchtungen bestimmt, vermutete Dee. Die Gentech-Illegalen hatten erkannt, dass es besser war, ihre Pflanzungen nicht mit Zäunen oder Mauern zu schützen, denn die erweckten bei der Überwachung aus der Luft prompt Aufmerksamkeit.
    Für Dee sah dies hier aus wie eine Baumschule, eine Anpflanzung irgendwelcher beliebigen jungen Bäumchen. Zu welchem Zweck man sie wohl gentechnisch verändert hatte? Es spielte keine Rolle. Ihre Erschaffung fiel in genau jene Kategorie verantwortungsloses Tun, das damals die Krise verursacht hatte, bei der eine Getreidesorte nach der anderen durch schnell wachsende Herbizid-resistente, gentechnisch veränderte »Superpflanzen« ohne natürliche Feinde vernichtet worden war – jene Kategorie Verantwortungslosigkeit, die dazu geführt hatte, dass schließlich fast der ganze Mittlere Westen kontrollierten Flächenbränden ausgesetzt werden musste, jene Kategorie Verantwortungslosigkeit, die den Ruin der gesamten betrieblichen Landwirtschaft, Hamsterkäufe gigantischen Ausmaßes und die weitere Schwächung einer ohnehin bereits ins Trudeln geratenen Wirtschaft bewirkt hatte.
    Jene Kategorie von Verantwortungslosigkeit, die letzten Endes Perri ins Gefängnis gebracht hatte.
    »Schneidet jeden Baum knapp über dem Boden ab«, instruierte sie der Anführer. »Bearbeitet nur die Pflanzreihe vor euch, sonst verletzt ihr euren Nachbarn. Arbeitet leise und rasch. Das Säureteam ist dicht hinter euch.«
    Dee begann mit der Reihe, die ihr zugewiesen wurde. Die Säge durchtrennte mühelos die dünnen Stämmchen, und das hemmungslose, primitive Lustgefühl, das sie bei dieser Tätigkeit empfand, überraschte Dee. Die Luft war erfüllt vom gedämpften (vermutlich großteils irgendwie elektronisch neutralisierten) Summen der Sägen und vom scharfen Geruch der Säure, die über die umgeschnittenen Bäumchen und die Stümpfe gegossen wurde. Dee spürte die Woge von Energie, die sie durchströmte, während sie alles zerstörte, was hier wuchs. Dennoch lauschte sie mit einem Ohr auf das Geräusch von Schusswaffen oder näherkommenden Hubschraubern zur Verteidigung der Farm, aber nichts war zu hören. Plötzlich lachte sie laut auf.
    »Was ist so lustig?«, fragte Paula, die sich an der nächsten Reihe Bäumchen zu schaffen machte.
    »Mir ist nur etwas eingefallen. Aus einem alten Gedicht. ›Und nur Gott macht einen Baum.‹«
    »Zzz«, machte Paula verächtlich. »Vergiss die Dichter und konzentriere dich lieber aufs

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