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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Mitarbeitern des Science Museum, um die Endeavour zu versiegeln. Er ließ den Blick über die unberührten Ebenen des Meeres der Stürme schweifen und fragte sich, wie es hier wohl in ein paar Wochen oder Monaten aussehen würde, nachdem die Menschen von diesem Brückenkopf ausgeschwärmt waren.
    Die fünfzehn Meter hohe Endeavour erhob sich stolz über die Flaggen. Der Kegelstumpf des mit Kevlar beschichteten Keramik-Hitzeschilds auf der runden Nase glänzte matt. Unter den Düsen der Hochleistungs-Flüssigbrennstoffrakete von Rolls-Royce verliefen strahlenförmige Bahnen durch den Staub. Das Triebwerk hatte funktioniert wie eine Eins, sagte Forbes sich stolz.
    Doch die Endeavour war die erste und letzte ihrer Art. Eine neue Generation komplexer, intelligenter unbemannter Raumsonden mit Namen wie Voyager, Mariner und Venera startete schon von der Erde und brachte Draht-Plattformen zum Mars, zur Venus und zu den Jupiter-Monden. Buzz Aldrin hatte Glück gehabt; der erste Mann oder die erste Frau auf dem Mars wäre nämlich mit größter Wahrscheinlichkeit ein Politiker und kein Pilot.
    Wieder einmal, wegen des unvermeidlichen Fortschritts der Technik, hatte Forbes seine Schuldigkeit getan und durfte gehen.
    Nach der Rückkehr würde dieser Mondflug den Höhepunkt seiner Karriere markieren. Man würde von ihm erwarten, dass er seinen Abschied nahm und die Fackel an diese seltsamen jungen Leute weiterreichte, die mit dem Draht aufgewachsen waren.
    Doch er war noch nicht bereit für den Ruhestand, egal was der Kalender ihm sagte. Er wusste aber, was Max dazu sagen würde – es läge daran, dass sie doch keine Kinder bekommen hatten und dass er sein Alter nicht akzeptierte –, und ähnliches modernes Psychogeschwätz. Zumal ihm ein medizinisches Attest vorlag, demzufolge der Rückzug ins Häuschen auf dem Lande ohnehin keine vernünftige Option wäre.
    Er schloss die Augen und trat durchs flimmernde Portal des Sender-Empfängers. Schmerz durchfuhr ihn, während die Elektronenstrahl-Scanner ihn bestrichen.
    Für zwei Sekunden, während ein S-Band-Signal vom Mond zur Erde jagte, existierte er nicht – zumindest nicht in der konventionellen Daseinsform.
    Plötzlich drückte ein Gewicht ihn nieder, die sechsfache Mondbeschleunigung, und er ging im Anzug in die Knie. Doch Hände fassten ihn an den Armen und stützten ihn. Er wurde von Geräuschen bombardiert.
    Er öffnete die Augen. Hinter den Wänden der Quarantäne-Station sah er den grauen, tristen Himmel über England.

 
    1987: Brunei Dock, Niedriger Erdorbit
     
    Er wachte auf, als durch das langsame thermische Rollen des Docks hellblaues Erdlicht die Kabine durchflutete.
    Er schwebte aus dem Schlafsack. Dann fuhr er sich mit den Fingern durchs schüttere Haar und bereitete sich einen Tee. Das ging so vonstatten, indem er heißes Wasser in einen Plastikbeutel pumpte und die so erzeugte hellbraune Brühe durch einen Nippel einsog. Zum Kotzen; selbst das stärkste Gebräu schmeckte noch nach Plastik. Zumal bei dem geringen Druck, der hier oben herrschte, das Wasser auch nie richtig heiß wurde.
    Dennoch hielt er die Stellung. Obwohl er den Verdacht hegte, dass die Tätigkeit als Berater für die Steuerung der Discovery bloße Sinekure war, waren seine Tage ausgefüllt; mit siebzig stand er eh gern etwas später auf.
    Und der grandiose Ausblick entschädigte ihn sowieso für alle Unbilden.
    Heute, im hellen Sonnenschein und bei smogfreier Luft, glitzerten die verstreuten Städte Englands unter ihm. Sogar von hier oben erkannte Forbes, dass die großen alten Städte – selbst London – geschrumpft waren. Dafür hatten die Vorstädte den aufgeforsteten Grünflächen große Narben geschlagen. Berufsverkehr, ob mit der Bahn oder dem Auto, gehörte der Vergangenheit an; die Arbeitnehmer huschten nun direkt ins Herz der Stadt und quollen aus den Draht- Sender-Empfängern in den alten U-Bahnstationen. Die Autobahn M1 war in eine Rennstrecke verwandelt worden … Es gab sogar, so hatte er gelesen, Leute mit ›simultanen Karrieren‹ in einem Dutzend Städte in aller Welt, zwischen denen sie von morgens bis abends pendelten. Für Forbes wäre das nichts gewesen.
    Es gab natürlich auch eine Kehrseite der Medaille. Noch von hier oben sah Forbes das Glitzern der Swimmingpools, die über die Berge und Täler von Schottland, Wales und den Norden Englands verstreut waren. Die Briten waren auf der Suche nach einer – illusorischen – Ursprünglichkeit über ihre kleinen Inseln

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